Merkblatt Katze Pigmentierung Haut Haarkleid Augen

Tierart: Katze
Defekt an Körperteil: Pigmentierung Haut Haarkleid Augen
QUEN-Merkblatt Nr. 12
Bearbeitungsstand: 24.02.2023
Tierart: Katze
Defekt an Körperteil: Pigmentierung Haut Haarkleid Augen
QUEN-Merkblatt Nr. 12
Bearbeitungsstand vom 23.02.2023

1. Beschreibung des Merkmals

Haut und Haarkleid unpigmentiert, in manchen Fällen blaue Augen oder Heterochromie.

(Katzen mit partiellen Farbaufhellungen: siehe bei der jeweiligen Rasse).

2.1 Bild 1

Foto: Katze weiß, Augen blau. Pixabay


2.1 Bild 2

Foto: Katze weiß, Augen heterochrom. Pixabay

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3. Betroffene Katzenrassen

Perser, British Kurzhaar, Europäisch Kurzhaar, Orientalisch Kurzhaar, Rexkatzen, Scottish Fold, Türkisch Angora, Norwegische Waldkatze, Maine Coon Katze, Khao Manee u.a.

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Extremscheckung beim Hund ist ebenfalls mit Taubheit korreliert, die ursächliche Variante beim Hund ist jedoch noch nicht molekulargenetisch identifiziert.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Schwerhörigkeit bis Taubheit; erhöhte Neigung zu Plattenepithelkarzinomen der Ohren, des Nasenspiegels und der Augenlider bei UV-Exposition. Die Neigung zu Plattenepithelkarzinomen betrifft auch weiß gescheckte Katzen mit unpigmentierten Ohren, Lidern und/oder Nasenspiegeln.

Bei blauäugigen und heterochromen Tieren treten außerdem Augenveränderungen auf, die außer einer mehr oder weniger fehlenden Pigmentierung des Irisstromas im wesentlichen Netzhautdepigmentierungen und das Fehlen des Tapetum lucidum im blauen Auge umfassen. Dadurch kommt es zu einer Beeinträchtigung der Nachtsichtigkeit.

Freilauf geht mit einem deutlich erhöhten Unfallrisiko einher, da herannahende Autos, Hunde etc. nicht akustisch wahrgenommen werden können. Somit können taube Katzen nur in der Wohnung bzw. gesicherten Ausläufen oder mit kontrolliertem Freilauf gehalten werden.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau, daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen.

Physisch: 

Der Hörsinn ist bei reinerbig dominant weißen Katzen immer und bei mischerbig dominant weißen Katzen häufig eingeschränkt, bis zur vollständigen Taubheit.

Aufgrund des fehlenden UV-Schutzes (es wird kein Melanin produziert) sind insbesondere dünn behaarte (Ohren) sowie unbehaarte (Augenlider, Nasenspiegel) Körperstellen einem erhöhten Risiko für solare Keratose und Plattenepithelkarzinome ausgesetzt. Diese erhöhte UV-Empfindlichkeit gilt auch für weiß gescheckte Katzen (Genotypen ws/ws und ws/w+), sofern die genannten Körperstellen unpigmentiert sind.

Aufgrund der ggf. im Auge bestehenden Defekte besteht ggf. eine Nachtblindheit.

Psychisch:

Durch Taubheit/Schwerhörigkeit ist die innerartliche Kommunikation nur eingeschränkt möglich, da z.B. Warnlaute aber auch Schnurren nicht wahrgenommen werden können. Dies erschwert die harmonische Vergesellschaftung mit anderen Katzen sowie die Aufzucht, da eine schwerhörige/taube Mutterkatze die Rufe ihrer Kitten nicht wahrnimmt.

Auch die Kommunikation mit der menschlichen Bezugsperson ist erschwert.

Belastungskategorie: Noch nicht eingeordnet.

7. Vererbung, Genetik, ggf. bekannte Genteste

Retrotransposon des endogenen Felinen Retrovirus (FERV1) im KIT Gen. Während die vollständige Insertion des FERV1 zu einer Weißscheckung (Allel ws) führt, löst die Insertion eines FERV1-Abschnittes eine vollständige Depigmentierung aus (W).

Es gibt somit folgende Allele am so genannten W-Lokus:

W (dominantes Weiß)

ws (Weißscheckung)

w+ (Wildtyp)

Der Genotyp W/W führt immer zu Taubheit/Schwerhörigkeit, die Genotypen W/ws und W/w+ führen bei einem (nicht vorhersehbaren) Prozentsatz der Tiere zu Taubheit oder Schwerhörigkeit. Aus diesem Grund ist auch die Zucht mit hörenden dominant weißen Katzen zu untersagen.

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

Phänotypisch durch Adspektion, Bestätigung des Verdachts durch Gentest (W-Lokus).

Weitergehende fachtierärztliche Untersuchungen zur Feststellung ggf. vorliegender weiterer gesundheitlicher Störungen (Augen) oder Grad der Taubheit.

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele  einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres.

a) notwendig erscheinende Anordnungen

– Zuchtverbot: (unmittelbar auf § 11b gestützte Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1)  

Der Zuchteinsatz dominant weißer Katzen (Genotyp W/W, W/ws, W/w+) ist sicher zu unterbinden, nötigenfalls durch Kastration.

In Mehrkatzenhaltungen und/oder bei Freilauf sind dominant weiße Katzen zu kastrieren.

b) mögliche Anordnungen

Bestehen Zweifel an der phänotypischen Zuordnung einer weißen Katze, ist per Gentest zu diagnostizieren, ob es sich um dominantes Weiß handelt.

Weitere fachtierärztliche Untersuchung der Ohren und Augen

– Ausstellungsverbot: Bei dem Tier besteht aufgrund der sichtbaren Veränderung der Verdacht einer Qualzucht gem. §11b TierSchG, deshalb wird die Vorstellung des Tieres zur Bewertung und Ausstellung untersagt (Anmerkung: ggf. muss zusätzlich eine Mitverantwortung der Richter und/oder   Ausstellungsveranstalter   für   ein rechtswidriges Verhalten = Zucht entgegen §11b TierSchG berücksichtigt werden).

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Katzen mit den oben beschriebenen Defekten/Syndromen in Deutschland  gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Begründung:

Der Zuchteinsatz dominant weißer Katzen (Genotyp W/W, W/ws, W/w+) erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch:  

– die teilweise oder vollständige Funktionslosigkeit von Organen (Hörsinn und ggf. Sehfähigkeit

– die Schädigung (hochgradige Reduzierung) der Schutzfunktion der Haut vor UV-Strahlung an dünn bzw. unbehaarten Körperstellen durch das fehlende     Pigment 

– Beeinträchtigung der innerartlichen Kommunikation

– die Erwartung von Schmerzen, Leiden und Schäden bei dem Tier selbst und bei den Nachkommen 

 

Der Hörsinn ist bei reinerbig dominant weißen Katzen immer und bei mischerbig dominant weißen Katzen häufig eingeschränkt, bis zur vollständigen Taubheit.

Aufgrund des fehlenden UV-Schutzes (es wird kein Melanin produziert) sind insbesondere dünn behaarte (Ohren) sowie unbehaarte (Augenlider, Nasenspiegel) Körperstellen einem erhöhten Risiko für solare Keratose und Plattenepithelkarzinome ausgesetzt. Diese erhöhte UV-Empfindlichkeit gilt auch für weiß gescheckte Katzen (Genotypen ws/ws und ws/w+), sofern die genannten Körperstellen unpigmentiert sind.

Aufgrund der ggf. im Auge bestehenden Defekte besteht eine Nachtblindheit.

Diese mit Leiden und Schäden assoziierten Defekte erfordern ein Zuchtverbot. 

Die Zucht dominant weißer Katzen (Genotyp W/W, W/ws, W/w+, ist bereits gemäß dem sogenannten Qualzuchtgutachten (1999) als Qualzucht zu klassifizieren. Das Gutachten bezog sich damals noch auf die Gesetzgebung vor der Einfügung des Artikels 20a in das Grundgesetz (Tierschutz als Staatsziel). 

Gem. §11b TierSchG in der aktuellen Fassung ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […], 

soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse […] erwarten lassen, dass als Folge 

der Zucht […] bei der Nachzucht, den […] Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich 

bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder […] bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten […]

Hör- und Sehsinn des Tieres sind Körperorgane, die für artgerechtes Verhalten und physiologische Vorgänge von erheblicher Bedeutung sind und elementare Funktionen erfüllen.  

Die erhebliche Einschränkung des arteigenen Kommunikationsverhaltens ist als Verhaltensstörung und damit als Leiden zu werten. 

Wichtig: Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Beschreibung und Beurteilung in diesem Merkblatt auf ein sichtbares Symptom einer Qualzucht bezieht. Bei einem großen Teil dieser Tiere sind zusätzliche sichtbare und/oder verdeckte Defekte und Dispositionen vorhanden oder bekannt, die durch zusätzliche Untersuchungen und/oder Genteste detektiert werden können.  

Fazit: Das Tier selbst ist als Defekt/Qualzucht zu klassifizieren. Züchterische Erkenntnisse lassen nicht nur erwarten, dass bei den Nachkommen mit Schmerzen, Leiden und Schäden verursachenden Einschränkungen gerechnet werden muss – es muss auch als erwiesen angesehen werden, dass ein mehr oder weniger großer Anteil der Nachkommen mit nicht unerheblichen Einschränkungen des Wohlbefindens wird leben  müssen.

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

11. Relevante Rechtsprechung

AG Kassel, Urteil vom 05.11.1993, AZ 626 Js 11179.8/93

https://tierschutz.hessen.de/tierschutz/urteile/urteil/view/4470?page=141

12. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Nein.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Katzen angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und/oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

Gough, A. et al. (2018): Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats.

Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats, 3rd Edition | Wiley

Schöll, Karina (2021): Qualzuchtmerkmale bei der Katze und deren Bewertung unter tierschutzrechtlichen Aspekten. Dissertation. Online verfügbar unter http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2021/15863/index.html.