Tierart: Hund
Rasse: French Bulldog
QUEN-Merkblatt Nr. 23
Bearbeitungsstand: 22.05.2024
Tierart: Hund
Rasse: French Bulldog
QUEN-Merkblatt Nr. 23
Bearbeitungsstand: 22.05.2024

1. Beschreibung der Tiere

FCI Rassestandard* Nr.: 101

Äußeres Erscheinungsbild und laut Standard geforderte, kritische Merkmale:

Der French Bulldog (Französische Bulldogge) soll laut Rassestandard der FCI ein kleinformatiger Molosser mit kräftigem, kurzem und gedrungenem Körperbau, einem stupsnasigen Gesicht und Stehohren sein. Eine „natürliche Kurzrute“ wird angeführt, zudem soll es sich um einen lebhaften, aufgeweckten, sehr muskulösen Hund handeln. 

Bereits viele im Rassestandard geforderte Merkmale bedingen schon tierschutzrelevante Körperformen, wie die laut Rassestandard geforderte Länge des Nasenrückens, die proportional etwa 1/6 der Gesamtlänge des Kopfes betragen soll und die fehlende, viel zu kurze oder verkrüppelte Rute (siehe unten Robinow-like-Syndrom).

Die Rasse wird in diversen kleineren und größeren Zuchtverbänden, innerhalb und außerhalb der großen Dachverbände  gezüchtet.

*Rechtlich bindend  zur Beurteilung des Einzeltieres sind das TierSchG und die TierSchHuV

2.1 Bild 1

French Bulldog.
Foto: QUEN-Archiv

2.1 Bild 2

French Bulldog.
Foto: QUEN-Archiv

Weitere Fotos finden Sie hier (Bild anklicken):

 3.   In der Rasse möglicherweise vorkommende  Probleme/Syndrome

In der Rasse der  French Bulldogs werden/sind folgende gehäuft vorkommende Probleme/ Gesundheitsstörungen und Dispositionen bekannt: (Bitte dazu auch die bereits vorhandenen Merkblätter zu Defekten einzelner Körperteile wie insbesondere Robinow-like Syndrom, Brachycephalie, Rute, BOAS*, Entropium beachten).

*befindet sich in Bearbeitung.

  • Robinow-like-Syndrom mit Defekten an Kopf, Wirbelsäule u. Rute
  • Brachycephalie: Nasenlänge unter ⅓ der Schädellänge (siehe Ampelsystem NL)
  • Brachycephales obstruktives Atemwegs Syndrom (BOAS) und BOAS-assoziierte, druckbedingte Reflux-Gastritis / Oesophagitis-Probleme und daraus resultierende Magen- Darm-Entzündungen
  • Wirbelsäule/Wirbelkörper Malformationen: Keil-, Block- u. Schmetterlingswirbel, Bandscheibenschäden (IVDD)
  • Dystokie: häufigere Kaiserschnittgeburten durch feto-pelvine Disproportion
  • Hauterkrankungen: “tail-fold dermatitis”, Intertrigo
  • Erkrankungen der Augen: z.B. Entropium, Cherry Eye, Exophthalmus, Konjunktivitis
  • Ohrerkrankungen: Otitis externa, Stenose des äußeren Gehörganges und des Mittelohrs mit oder ohne Otitis media

4. Weitere ggf. gehäuft auftretende Probleme

In der veterinärmedizinischen Fachliteratur finden sich außer den unter Punkt 3 angegebenen rassetypischen Defekten, Hinweise zum Vorkommen folgender Probleme, die nachfolgend nicht weiter ausgeführt werden, da noch keine abschließenden Schlussfolgerungen zu Prävalenzen gemacht werden können:

  • Arachnoidalzysten
  • Atopie/Futtermittelallergie
  • Cystinurie
  • Degenerative Myelopathie
  • Demodikose
  • Ektropium
  • Ellenbogendysplasie
  • Hiatushernie
  • Katarakt
  • Herzerkrankungen
  • Hüftgelenksdysplasie
  • Lebenserwartung gering (Schweiz)
  • Nasale Parakeratose
  • Patellaluxation
  • Pulmonalstenose
  • Tumorerkrankungen

5. Symptomatik und Krankheitswert einiger Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau und dient lediglich der Orientierung. Daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen. Dies vor allen Dingen deshalb, weil sich im deutschen Tierschutzgesetz keine justiziable Grundlage zur Einteilung in Belastungskategorien findet. Im Gegensatz zur Schweiz, werden in den gesetzlichen Normen in Deutschland Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht quantifiziert oder ihrer Qualität nach beurteilt, sondern diese berücksichtigt, wenn sie das Tier mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen.

Die Belastungen, welche durch Defekt-Zuchtmerkmale entstehen können, werden in 4 Kategorien eingeteilt (Art. 3 TSchZV, Schweiz). Für die Zuordnung eines Tieres zu einer Belastungskategorie ist das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom entscheidend (Art. 4 TSchZV, Schweiz).

 Kategorie 0 (keine Belastung): Mit diesen Tieren darf gezüchtet werden.

Kategorie 1 (leichte Belastung): Eine leichte Belastung liegt vor, wenn eine belastende Ausprägung von Merkmalen und Symptomen bei Heim- und Nutztieren durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmäßige medizinische Pflegemaßnahmen kompensiert werden kann.

Kategorie 2 (mittlere Belastung): Mit diesen Tieren darf ggf. nur gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt.

Kategorie 3 (starke Belastung): Mit diesen Tieren darf nicht gezüchtet werden.

Robinow-like Syndrom (s. dazu auch Merkblatt Nr. 24 Hund Robinow-like Syndrom)

Physisch:
Das Syndrom geht mit verkürzten Gliedmaßen und diversen Anomalien einher. Auffallend sind vor allem Missbildungen des Schädels und der Wirbelkörper. Dabei ist der Schädel sehr breit und das Gesicht ist abgeflacht. Damit verbunden ist ein besonders kurzer harter Gaumen und eine verkürzte Schädelbasis bei gleichzeitig jedoch regulärer Größe des weichen Gaumens, was ein Missverhältnis der Weichteilstrukturen innerhalb des Schädels zur Folge hat. Weiter werden mit diesem Merkmal Wirbelmissbildungen wie Blockwirbel, dorso-laterale Hemivertebrae, laterale Hemivertebrae, Schmetterlingswirbel, Keilwirbel, Übergangswirbel, Spondylose und abnorm verkürzte Wirbel in Verbindung gebracht. Missgebildete, miteinander verwachsene oder fehlende Schwanzwirbel können zu einer verkürzten oder sogenannten Korkenzieherrute führen. Es kommt in der Regel durch anatomische Missbildungen an verschiedenen Organen zu Einschränkungen diverser Körperfunktionen wie der Atmung, Thermoregulation, Defäkation, Fortpflanzung (Deckakt, Geburt), Bewegungsablauf, und zu neurologischen Störungen und Beeinträchtigung von Visus und Gehör (durch Otitis media).

Psychisch:
Leiden durch eingeschränkte Kommunikation: Gesichtsfalten, stark verkürzter Fang, funktionseingeschränkte bis funktionslose, verkürzte Rute. Siehe dazu auch https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-rute/, und https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-hund-brachycephalie/
Schmerzen und Leiden z.B. bei Bandscheiben-Schäden durch Folgen der anatomischen Missbildungen und Angst z.B. bei Atemnotsyndrom. Atemnot führt zu Angst und wird als schweres Leiden eingestuft. Durch atemnotbedingte Schlaflosigkeit wird dieser Angst-Zustand noch verstärkt.

Belastungskategorie: 3 bei reinerbigem Genotyp


Brachycephalie  (s. dazu auch Merkblatt Nr. 8 Hund Brachycephalie)

Physisch:
Brachycephalie beschreibt im weitesten Sinne die Verkürzung des Kopfes, einschließlich der Schnauze. Die spezielle Anatomie der oberen Atemwege bei brachycephalen Hunden führt zu einer Obstruktion der oberen Atemwege. Im Vergleich zu anderen Rassen haben brachycephale Hunde einen verkürzten Schädel, der zu einer komprimierten Nasenpassage und einer veränderten Rachenanatomie führt. Beim Vergleich von CT-Aufnahmen von normocephalen Hunden und ausgewählten brachycephalen Rassen fällt die deutlich verkürzte Nasenhöhle auf. Die intranasalen Strukturen wie die Nasenmuscheln sind allerdings nicht zwangsläufig verkürzt, sodass diese von ihrer physiologischen Position abweichen und den Atmungsgang verlegen können. Die Querschnittsflächen verschiedener Bereiche der oberen Atemwege sind signifikant verkleinert. Zudem weist die Rasse häufig nasopharyngeale Turbinate (Nasenmuscheln) auf (die Nasenmuscheln sind mit Nasenschleimhaut überzogene Knochenlamellen, die von der seitlichen Nasenwand in die Nasenhaupthöhle ragen). Vor allem caudale anormale Turbinate können über die Hälfte der untersuchten French Bulldogs (65,5 %) betreffen. Die meisten brachycephalen Hunde weisen eine Kombination aus komprimierten anatomischen Strukturen auf, die einen erhöhten Unterdruck bei der Inspiration erzeugt, was zu Entzündungen und Dehnungen des Rachengewebes sowie zu Obstruktionen führt. Die anatomischen Veränderungen und Malformationen des knöchernen Schädels könnten auch eine Ursache für die Verengungen des Gehörgangs sein. Im Vergleich zu anderen Hunderassen weisen brachycephale Hunde häufig Makroglossie auf. Dabei unterscheidet sich das Volumen nicht zwischen betroffenen und gesunden Hunden, allerdings ist die Zunge im Verhältnis zum verkleinerten Schädel größer und beeinträchtigt ebenfalls die Atmung.

Sehr häufig ist der Tränennasengang durch die zuchtbedingte Veränderung des Gesichtsschädels missgebildet und in seinem Verlauf stark abweichend. Er ist oft in der Länge erheblich reduziert und kann eine starke Steilstellung aufweisen. Dies führt zu einer teilweisen oder völligen Verlegung des Kanals, so dass Tränenflüssigkeit nach außen (über die Augen) abläuft. Ein Hinweis auf diesen Defekt ist eine „Tränenstraße“ mit bräunlicher Verfärbung des Fells, die bei gleichzeitigem Verlauf in einer Falte nicht selten zu einer Dermatitis führt. In vielen Fällen besitzen die Tränennasengänge der betroffenen Tiere eine zusätzliche Öffnung, durch welche die Flüssigkeit auch in den hinteren Teil der Nasenhöhle ablaufen kann. 

Untersuchungen zeigen Unterschiede im Herz-EKG zwischen brachycephalen Hunden und Hunden ohne Brachycephalie. Bei brachycephalen Hunden scheint der diastolische Druck im rechten Herzen erhöht, wodurch die Funktion des Herzens beeinträchtig wird. Entscheidend für die Veränderungen der Herzmorphologie und -funktion sind meist die anatomischen Veränderungen, nicht das Auftreten von Symptomen, die im Zusammenhang mit der Brachycephalie auftreten. Ebenso können durch die Veränderungen des knöchernen Schädels Veränderungen, Erkrankungen und erhöhte Verletzungsgefahr der Augen bedingt sein.

Die Brachycephalie ist zudem mit einer Missbildung (Brachygnathia superior) verbunden, die häufig auch zu Gebissveränderungen, wie z.B. Malokklusion oder Zahnengstand führt.

Psychisch:
Extreme Fälle von Brachycephalie sind mit einer Vielzahl von Pathologien verbunden, die alle Lebensabschnitte und verschiedene Organsysteme betreffen.  Eine Studie aus Großbritannien (2020) legt deutliche Beweise dafür vor, dass brachycephale Rassen im Allgemeinen weniger gesund sind als nicht-brachycephale Hunderassen. Die Tiere sind in vielen Lebensbereichen in ihrem natürlichen Verhalten stark eingeschränkt, sodass von einer verminderten Lebensqualität auszugehen ist.
Ein Abnabeln der Welpen während der Geburt, das Zerbeißen von Flöhen, oder auch die Nahrungsaufnahme können durch Regurgitieren und Erstickungsanfälle behindert sein. Die Lebenserwartung von brachycephalen Rassen, wie dem French Bulldog, ist deutlich reduziert im Vergleich zu Rassen mit z.B. mesocephalen Kopfformen.

Ein physiologisches und artgerechtes Leben ist nicht mehr möglich, da betroffene Tiere lebenslang der Angst ausgesetzt sind, zu ersticken. Dies zeigt sich in den vielfältigen Kompensationsmechanismen, die sich solche Hunde  zugelegt haben, um zu überleben. Flaches Hinlegen auf kühle Flächen, um den ganzen Körper zu kühlen und das Überstrecken des Halses beim Schlafen sind nur zwei dieser Symptome. Auch wenn sich betroffene Tiere in ihrem Verhalten auf die Situation einstellen (daran gewöhnen), bleibt es eine Einschränkung der Lebensqualität.

Betroffene Hunde sind durch die entsprechenden Lautäußerungen (röcheln, husten, schwere Atmung), die von anderen Hunden oft als Knurren fehlgedeutet werden, sowie durch die physiologischen Gegebenheiten (hervorquellende Augen, faltiges Gesicht, fehlende Rute, kurzer Rücken) extrem in ihrer Kommunikation mit Artgenossen und zudem in ihrer Körperpflege eingeschränkt.

Belastungskategorie: 3


BOAS (Brachycephales Obstruktives Atemwegssyndrom inkl. Trachealhypoplasie)

Physisch:
In einer Studie von Packer et al. (2015) waren bis zu 70 % der French Bulldogs von BOAS betroffen und sie zählten zu den meist betroffenen Rassen überhaupt. Die anatomischen und physiologischen Veränderungen, die durch die Brachyzephalie entstehen, haben Einfluss auf die Atemwege und die Atemfunktion. Der Schädel ist durch die Brachycephalie verkürzt, die weichen bindegewebigen Strukturen im Innern haben sich jedoch nicht entsprechend in ihrem Volumen reduziert und somit werden die anatomischen Strukturen durch schieren Platzmangel komprimiert. Die Tiere zeigen häufig Stridor, inspiratorische Dyspnoe, Husten, Zyanosen, Belastungsintoleranz und ein erhöhtes Risiko für Hyperthermie aufgrund eingeschränkter Thermoregulation. Die Symptome können bis zum Tod führen. Charakteristische Veränderungen beinhalten stenotische Nasenlöcher sowie Verdickung und Verlängerung des weichen Gaumens. Die Schleimhaut der Conchen hypertrophiert und behindert die Atmung zusätzlich. Durch die Deformationen im Nasen-/Maul-/Rachenraum müssen die Tiere gegen einen vielfach erhöhten Atemwiderstand ankämpfen. Nasale Mukosa-Kontaktpunkte (“nasal mucosal contact points”), die den Lufttransport einschränken, verstärken die Atemprobleme. Hecheln oder Tachypnoe in Zuständen der Erregung oder bei Hitzestress führen dazu, dass die bindegewebigen Strukturen innerhalb der Atemwege anschwellen. Mehr Anstrengung von Seiten des Hundes und daraus resultierende Verschlimmerungen der Obstruktionen begünstigen sich gegenseitig. Dadurch können sekundäre Erkrankungen des Larynx auftreten, wie Schleimhautödeme und Larynxkollaps. Schnarchgeräusche sind bei diesen Hunden häufig. Bei gravierender klinischer Symptomatik müssen die Tiere mittels Intubation, Sauerstoff, Abkühlen und/oder Sedation therapiert werden. Obstruktionen der oberen Atemwege können zu weiteren sekundären Komplikationen, wie Aspirationspneumonien und nicht-kardialen Lungenödemen führen. Die unteren Atemwege sind beim BOAS durch den erhöhten Atemwiderstand in den oberen Atemwegen ebenfalls von Veränderungen betroffen. Es können kollabierte Bronchien, Würgen, vermehrter Speichelfluss, Regurgitieren, Erbrechen, ösophageale Motilitätsstörungen und Dysphagie auftreten. Endoskopische und histologische Untersuchungen zeigten Veränderungen im Ösophagus, Magen und Duodenum.

Psychisch:
Die physiologische Atmung ist stark beeinträchtigt, sodass die Tiere häufig an Dyspnoe bzw. respiratorischem Distress leiden. Die Tiere leiden an chronischer Atemnot und sind gezwungen, größtenteils durch das geöffnete Maul zu atmen. Hitzestress und eine eingeschränkte Aktivität aufgrund der Belastungsintoleranz schränken die Hunde in ihrem arttypischen Verhalten ein. Sie sind anfälliger für Stress und Aufregung. Vor allem bei hohen Außentemperaturen ist die Aktivität der Tiere aufgrund der beeinträchtigten Thermoregulation besonders eingeschränkt. Betroffene Hunde leiden unter Schlafapnoe, unruhigem Schlaf und verändern ihr Schlafverhalten, wie z.B. eine Einnahme von aufrechten Schlafpositionen oder Schlafen mit einem Gegenstand im Maul, um eine

Obstruktion der Atemwege zu verhindern. Die verschiedenen Aspekte der beeinträchtigten Atmung, Schlafverhalten, Aktivität und gastroenterologischen Symptome wirken sich negativ auf das Wohlbefinden der Tiere aus. Ein artgerechtes Leben ist für die betroffenen Hunde kaum noch möglich. Dies zeigt sich in den vielfältigen Kompensationsmechanismen, die solche Hunde sich zugelegt haben, um zu überleben.

Belastungskategorie: 3


Wirbelkörpermalformationen und Ruten-Deformation (Siehe dazu auch Merkblatt Nr. 5 Hund Rute)

Physisch:
Typischerweise tritt eine verkürzte und ggf. verdrehte Rute auf (“screw tail”), die durch Malformationen und Fusionen der Wirbelkörper entstanden ist. Häufig gehen damit auch weitere Missbildungen der Wirbelsäule einher. Meist erfolgt die Diagnose der Wirbelanomalien als Zufallsbefund. Es kann aufgrund der Fehlbildungen zu Fehlkrümmungen der Wirbelsäule wie z.B. Kyphosen, Lordosen oder Skoliosen kommen. Die Malformationen der Wirbelkörper können Engstellen im Canalis centralis verursachen, wodurch das Rückenmark komprimiert und neurologische Beeinträchtigungen hervorgerufen werden können. Hierzu zählen neben Schmerzen und diversen Paresen und Plegien auch Muskelatrophien und Inkontinenz von Kot und/oder Harn. Beim French Bulldog werden häufig kongenitale Malformationen der Brustwirbel beobachtet. Meist treten Keilwirbel, aber auch verkürzte Wirbel, Schmetterlingswirbel und Hemivertebrae auf. Symptome von thorakalen Hemivertebrae können Paresen und Ataxien der Hintergliedmaßen, Paraplegie, spinale Hyperästhesie sowie Urin- und Kotinkontinenz umfassen. Meist treten mehrere Hemivertebrae bei einem Hund gleichzeitig auf.

Chondrodystrophe Rassen, wie der French Bulldog, weisen auch gehäuft (degenerative) Veränderungen der Bandscheiben auf.

Formulierungen im Rassestandard, die auch ohne Übertypisierung problematisch sein können, wie z.B. die  Tolerierung einer so genannten „Korkenzieherrute“ „RUTE: …Eine Knoten-, Knickrute oder eine relativ lange Rute, die nicht über das Sprunggelenk hinausragt, ist zugelassen“  entspringen einem völligen Unverständnis der Situation: Korkenzieherruten (aufgrund des Robinow-like-Syndroms, verursacht durch eine genetische Variante im Gen DVL2) gehen mit Fehlbildungen der Wirbelsäule einher und begünstigen die Entstehung von Entzündungen der Haut in den Hautfalten. 

Psychisch:
Bandscheibenerkrankungen und Missbildungen an der Wirbelsäule gehen in der Regel mit Schmerzen und diversen neurologischen Ausfallerscheinungen und Lähmungen einher, welche das Wohlbefinden und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Als Ausdrucksmittel des natürlichen und artgemäßen Verhaltensrepertoires kann eine Korkenzieherrute oder eine bis auf wenige Glieder fehlende Rute kaum bzw. gar nicht mehr eingesetzt werden. Den Hunden ist es nicht mehr möglich, Körperöffnungen (Anus und insbesondere das weibliche Genitale) zu erreichen oder mit der Rute zu bedecken und so zu schützen oder die Rute beim Kotabsatz ausreichend anzuheben. 

Einschränkungen des Verhaltensrepertoires sind als Leiden anerkannt.

Belastungskategorie: 3


Geburtsschwierigkeiten (Dystokie)

Physisch:
Brachycephale Rassen, wie French Bulldogs, sind bei Dystokien (Wehenschwäche) überrepräsentiert. Grund ist meist das Missverhältnis zwischen dem Becken der Mutterhündin, der Größe des Kopfes der Welpen und der Schulterbreite der Welpen (feto-pelvines Missverhältnis). Das zeigt sich auch in der prozentualen Rate der Kaiserschnitte.  Es wird berichtet, dass in über 80 % der Geburten ein Kaiserschnitt vorgenommen werden muss. Häufig handelt es sich um Notkaiserschnitte. Allein das stellt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, beispielsweise durch Narkosezwischenfälle dar.

Psychisch:
Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der French Bulldogs nur mittels operativen Eingriffs (Kaiserschnitt) geboren werden kann. Ein Kaiserschnitt kann das maternale Verhalten beeinflussen. Die vaginocervikale Stimulation scheint eine wichtige Rolle für das maternale Verhalten zu spielen, da man beobachtet, dass Hündinnen mit Kaiserschnitt ohne Einleitung einer natürlichen Geburt Probleme haben können, adäquate Interaktionen mit ihren Welpen zu entwickeln. Selbst bei einer natürlichen Geburt haben brachycephale Tiere durch die Form des Schädels und des Gebisses nicht selten Probleme, die Fruchthüllen zu eröffnen und die Nabelschnur zu durchtrennen, was die Gefahr von Problemen erhöht.

Belastungskategorie: 3


Hauterkrankungen (Bakterielle Follikulitis, Dermatitis und Pyodermie durch Hautfalten, Tail Fold Intertrigo, Demodikose, Nasodigitale Hyperkeratose)

Physisch:
French Bulldogs sind prädisponiert für verschiedene Hauterkrankungen, wie Dermatitis in den Hautfalten (Intertrigo), interdigitale Pyodermie und Demodikose.  Die Verkürzung des Schädels resultiert in Hautfalten im Bereich der Schnauze, Augen und Ohren. Eine besondere Form stellt die Tail Fold Intertrigo bei Rassen mit verkürzter oder verkrüppelter Rute (“screw tail”) dar. Der French Bulldog ist hiervon besonders häufig betroffen. Diese Erkrankung erfordert meist eine chirurgische Versorgung mit Entfernung des verkrüppelten Wirbels und der umliegenden Hautfalten.

Eine bakterielle Follikulitis wird häufig durch S. pseudointermedius verursacht. Die Erreger dringen aufgrund intern oder extern bedingter Schädigungen der Haut ein und verursachen an der entsprechenden Stelle Veränderungen. Klinisch zeigen sich kleine entzündliche Papeln und Pusteln mit einem zentralen Haarschaft. Bis zum Haarausfall werden die Läsionen häufig nicht bemerkt. 

Psychisch:
Betroffene Tiere leiden unter Juckreiz und Schmerzen, die Beschwerden müssen oft ein Hundeleben lang überwacht und behandelt werden. Regelmäßige tierärztliche Interventionen sind dazu in der Regel erforderlich und verursachen dem Hund zusätzlichen Stress. 

Belastungskategorie: 2-3


Augenerkrankungen

Brachycephale Rassen wie der French Bulldog weisen anatomische Schädelveränderungen auf, die für verschiedene Erkrankungen der Augen verantwortlich sind und unter dem Begriff des Brachycephalen Augensyndroms (BOS) zusammengefasst werden. Der übermäßige Selektionsdruck führt zu extremen Schädelformen und kann das Sehvermögen der Hunde gefährden.

Beim French Bulldog treten überproportional gehäuft Augenerkrankungen auf. Viele Erkrankungen der Augen sind mit dem brachyzephalen Phänotyp der Tiere assoziiert. Der runde Kopf und die flache Orbita begünstigen einen gewissen Grad von Exophthalmus. In Kombination mit einer weiten Lidspalte (Makroblepharon), sind der Lidschluss und die Befeuchtung des Auges eingeschränkt. Häufig wird auch ein Entropium diagnostiziert. Durch den unvollständigen Lidschluss werden das Blinzeln und somit die Augengesundheit und Befeuchtung des Auges beeinträchtigt. Dadurch können weitere Erkrankungen wie Keratitiden und Keratokonjunktivitis sicca begünstigt werden. Ein Nickhautvorfall (“cherry eye”) ist beim French Bulldog ebenfalls zu beobachten und trat in Studien bei ca. 76% der betroffenen Tiere noch vor dem ersten Lebensjahr auf. Ulzerative Erkrankungen der Cornea können mit einer Prävalenz von 1,87% gehäuft vorkommen. Es besteht die Vermutung, dass u.a. die reduzierte Sensibilität und Innervation der Cornea, die mit der Brachyzephalie einhergehen, ein prädisponierender Faktor sein könnte. Ein weiterer Risikofaktor für ulzerative Veränderungen der Cornea sind über die Nase ziehende Hautfalten. Sie selbst oder darauf wachsende Haare können auf der Cornea reiben und zu traumatisch bedingten Keratitiden und Ulzerationen führen. 

Psychisch:
Die ständig betroffene (weil zu trockene oder vom nach innen gerollten Lid gereizte) Bindehaut und Hornhautoberfläche verursacht beim Hund chronische Schmerzen, die zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen. Ein beeinträchtigter Lidschluss und Blinzeln haben Auswirkungen auf das Verhalten und behindern die Tiere beim Schutz vor externen Stimuli. Nozizeptive afferente Nervenzellen innervieren die Hornhaut, so dass davon auszugehen ist, dass ulzerative Veränderungen erhebliche Schmerzen verursachen und auch das Sehvermögen beeinträchtigt sein kann. Die Veränderungen können einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere haben, da sie zu Schmerzen, einer Uveitis und zur Perforation bis hin zum Verlust des Auges führen können.

Belastungskategorie: 2-3


Ohrerkrankungen

Physisch:
French Bulldogs sind durch die brachycephale Kopfform prädisponiert für Ohrerkrankungen. Der Gehörgang ist bei ihnen im Vergleich zu nicht-brachycephalen Rassen signifikant schmaler. Die Bulla tympanica ist deutlich verdickt und weniger voluminös. Diese Veränderungen des äußeren Gehörganges und des Mittelohrs können zu Paukenhöhlenergüssen sowie Otitiden durch Sekundärinfektionen führen. Betroffene Hunde leiden häufig unter einem deutlich eingeschränkten Hörvermögen. Die Untersuchung durch den Tierarzt ist im Wachzustand nahezu unmöglich, da betroffene Hunde einen hochgradig verengten Gehörgang aufweisen.

Psychisch:
Vermindertes Hörvermögen schränkt den Hund in seiner Sinnesleistung und in seiner Aufnahme von Reizen der Umwelt sowie in der Kommunikation mit dem Bindungspartner Mensch und Artgenossen ein und kann zu Unsicherheit führen. Zudem muss der Hund diesen Mangel anderweitig ausgleichen.

Belastungskategorie: 2-3

Beim Fr. Bulldog ergeben bereits die rassebedingten (standardbedingten) Ausgangswerte die Gesamtkategorie 3.

6. Vererbung, Genetik. ggf. bekannte Genteste, ggf. durchschnittlicher Inzuchtkoeffizient (COI) für die Rasse, ggf. Generic Illness Severity Index

Verkürzung des Gesichtsschädels und damit verbundene Probleme mit Thermoregulation, Ohrenerkrankungen, Meat-in-the-Box Syndrom, etc.

Die Verkürzung des Gesichtsschädels ist auf massive Selektion in der Zuchtpraxis zurückzuführen, also genetisch bedingt und besteht aus mehreren Komponenten.

Robinow-like-Syndrom

Eine genetische Variante des DVL2-Gens wurde identifiziert, die in French Bulldog, English Bulldog und Boston Terriern fixiert vorliegt und mit dem rassetypischen Phänotyp einhergeht. Diese Variante korreliert mit Brust- und Schwanzwirbel-Fehlbildungen und trägt, zusammen mit den bereits bekannten Varianten in den Genen SMCO2 und BMP3, zum brachycephalen Phänotyp bei. Die Variante scheint dabei einem autosomal-rezessiven Erbgang zu folgen, wobei sie in Bezug auf die Brustwirbel-Fehlbildungen eine unvollständige Penetranz zeigt, die sich von reinerbigem Individuum zu reinerbigem Individuum unterscheidet. Hinweise, dass die DVL2-Variante auch mit anderen Gesundheitsproblemen wie beispielsweise dem brachycephalen obstruktiven Atemwegssyndrom (BOAS) oder angeborenen Herzfehlern verknüpft sein könnte, sind jedoch noch Gegenstand aktueller Forschungen.

Gentest: Ein Gentest auf das DVL2-Gen ist verfügbar.


Brachycephalie (Verkürzung des Gesichtsschädels und damit verbundene Probleme mit Thermoregulation, Ohrenerkrankungen, etc)

Genetik und Vererbung sind nicht vollständig geklärt. Aufgrund der genetischen Komplexität wird angenommen, dass verschiedene Chromosomen einen Einfluss haben. Es wird vermutet, dass das TCOF1-Gen an der Ausbildung der Brachyzephalie beteiligt ist. Diese Vermutung konnte nicht bestätigt werden. Mehrere Studien fanden Zusammenhänge mit dem CFA 1-Gen, auf welchem mit Brachycephalie assoziierte Loci liegen. Auch eine Beteiligung von SMOC2-, BMP3- , FGFR-2, THBS1 und DVL2-Genen wird diskutiert.

Weitere für die Rasse verfügbare Gentests (Stand Mai 2024)

Canine multifokale Retinopathie (CMR1)

Chondrodysplasie (CDPA) und -dystrophie (CDDY) (IVDD-Risiko)

Congenitale Hypothyreose (CHG)

Cystinurie

Degenerative Myelopathie (DM Exon2)

Hereditäte Katarakt  (HSF4)

Hyperurikosie

Lafora-Epilepsie

Maligne Hyperthermie

Progressive Retinaatrophie (cord1 und prcd)

Robinow-like-Syndrom

Durchschnittlicher Inzuchtkoeffizient der Rasse

Der durchschnittliche Inzuchtgrad  beim French Bulldog lag 2016 bereits bei ca. 28% .

Eine Geschwisterkreuzung erzeugt eine Inzucht von 25 %. Diese Daten zeigen also, dass die durchschnittliche Zucht das genetische Äquivalent einer Vollgeschwisterkreuzung ist.
Eine Population, die hauptsächlich gesunde Tiere produziert, hätte einen Inzuchtgrad von etwa 5 % oder weniger. Erwartet wird, dass es bei einem Inzuchtgrad von mehr als etwa 10% zu  genetischen Krankheiten und Gesundheitsverlusten kommt.

7. Diagnose-notwendige Untersuchungen vor Zucht oder Ausstellung

Robinow-like Syndrom

Verdachtsdiagnose anhand Rassezugehörigkeit/pathognomonischer Phänotyp; Absicherung ggf. durch Gentest. Bei Nachweis der DVL2-Variante im homozygoten oder heterozygoten Zustand entfällt die Notwendigkeit weiterer Röntgen- oder CT- Untersuchung bei sonst symptom- (nicht merkmalsfreien) Hunden, da diese Tiere ohnehin weder ausgestellt werden dürfen noch mit ihnen gezüchtet werden darf.
French Bulldogs besitzen einen breiten Kopf, eine kurze Schnauze, weit auseinanderliegende Augen und Anomalien der Wirbelknochen und der Rute. Sie haben verkürzte und ggf. geknickte Schwänze („screw-tail“) als leicht zu erkennendes Merkmal. Insofern begründet bei der Rasse bereits das Aussehen der Tiere durch den sichtbaren Schaden das Ausstellungsverbot und zusätzlich den Verdacht auf das Vorliegen des Robinow-like Syndroms, das durch einen Gen-Test verifiziert werden kann.

Brachycephalie

Die Ausprägung des Merkmals ist durch äußerliche Betrachtung und Untersuchung in Grenzfällen nur teilweise zu diagnostizieren, wenn nicht eindeutige, äußerlich sichtbare Defekte bereits ausreichende Einschätzung zulassen. Weitere fachtierärztliche Untersuchungen, bildgebende Verfahren zur Untersuchung des Kopfes, und bei einigen Tieren des Skelettsystems, verifizieren die Diagnose, komplettieren das Gesamtbild und können notwendig werden, um dem jeweiligen Tier ggf. notwendige medizinische Behandlung zukommen zu lassen. Mittels Endoskopie können Stenosen, Verengungen im Nasenvorhof, Überlänge und Verdickung des weichen Gaumens, Veränderungen der Luftröhre, sowie übermäßiges Gewebe im Nasen-/Rachen-/Maulraum festgestellt werden. Neben der bereits adspektorisch feststellbaren Veränderung von Kopfform, Nasenlöchern und Kiefer, bringen Röntgenaufnahmen und/oder ein mehrdimensionales bildgebendes Verfahren (Schädel-CT), Klarheit. Methoden zur Abmessung des Schädels sind ebenfalls möglich.

BOAS (Brachycephales Obstruktives Atemnotsyndrom, ggf. inkl. Trachealhypoplasie)

Bei stabilen Patienten sollte die Lungenfunktion mittels Auskultation, Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse überprüft werden. Pneumonien und Lungenödeme können röntgenologisch diagnostiziert werden. Zur Beurteilung der Strukturen in der Maulhöhle (u.a. Gaumen, Larynx) und Trachea eignet sich eine endoskopische Untersuchung. Um eine Trachealhypoplasie festzustellen, können Röntgenbilder angefertigt werden. Für eine genaue morphologische Untersuchung sind hochauflösende bildgebende Verfahren, wie ein CT notwendig. Die Schwere der Erkrankung (BOAS) kann zusätzlich mittels eines Fitnesstests (“exercise testing”) eingeschätzt werden.

Ösophageale Motilitätsstörungen können mittels Videofluoroskopie mit Barium diagnostiziert werden.

Wirbelsäulendefekte

Veränderungen der Rute sind von außen sicht- und fühlbar und somit einfach zu diagnostizieren. Da eine fehlgebildete Rute zu einem hohen Prozentsatz in Verbindung mit weiteren Veränderungen an der Wirbelsäule auftritt, ist eine Skelettuntersuchung in Narkose mittels mehrdimensionaler bildgebender Verfahren sinnvoll und notwendig.
Zur ersten Einschätzung dient die neurologische Untersuchung.

Ohrerkrankungen

Die klinische Untersuchung inklusive Adspektion kann durch bildgebende Verfahren, wie einem CT oder MRT, ergänzt werden, um die inneren Strukturen des Ohrs beurteilen zu können. Bei potentiellen Entzündungen können Bakterienkulturen angelegt werden. Mögliche Schwerhörigkeit/Taubheit auf Grund von Extremscheckung oder Merle-Faktor wird durch Ableitung eines funktionell auditorisch evozierten Potenzials diagnostiziert. 

Augenerkrankungen (Entropium, Hornhaut Ulcera, Cherry-Eye)

Die beschriebenen Erkrankungen der Augen können mittels einer kompletten ophthalmologischen Untersuchung diagnostiziert werden.

8. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele  einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres und die Eigenschaft als Träger von Risiko-Genen.

a) notwendig erscheinende Anordnungen

Zuchtverbot gem. §11b TierSchG für Tiere mit vererblichen/zuchtbedingten Defekten, insbesondere

  • mit Veränderungen des Skelettsystems: Kopf, Wirbelsäule, Hüfte, Becken, Ellenbogen
  • mit brachycephalem obstruktivem Atemwegs-Syndrom (BOAS)
  • positivem Gentest auf Robinow-like-Syndrom. Der Genotyp bzgl. DVL2 muss dabei  im Zusammenhang mit dem klinischen Bild bewertet werden.
  • mit extrem verkürztem Oberkiefer, Fehlstellungen der Zähne (insbesondere sichtbare Zähne bei geschlossenem Maul) oder Malokklusion, Fehlen mehrerer Molaren
  • mit fehlender, funktionsuntüchtiger, stark verkürzter, verkrüppelter Rute (“Screw Tail”)

Ausstellungsverbot gem. §10 TierSchHuV 

b) mögliche Anordnungen

 Anordnung zur dauerhaften Unfruchtbarmachung (Sterilisation/ Kastration) gemäß 11b (2).

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

9. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

a) Deutschland

Aus rechtlicher Sicht sind Hunde mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  • die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Die Zucht von French Bulldogs erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch die einzelnen oder mehreren unter Ziffer 5 im Detail erläuterten Schäden, Schmerzen und Leiden:

  • Schäden an Wirbelsäule und damit verbundene Schmerzen
  • Augenerkrankungen und damit verbundene Schmerzen und Schäden
  • Hauterkrankungen und damit verbundene Schmerzen und Leiden
  • Ohrenerkrankungen und damit verbundene Schmerzen, Schäden und Leiden
  • Unfähigkeit, auf natürliche Weise Nachkommen zu gebären
  • Beeinträchtigung der Thermoregulation und damit verbundenes Leiden
  • durch Atemnot verursachte Angstzustände
  • Leiden durch eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit

– Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar 4. Aufl. 2023, § 11b TierSchG Rn. 6).

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14). Dabei ist zu beachten, dass ein Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; (Lorz/Metzger, Kommentar zum TierSchG § 11b Rn. 6 mit weiterem Nachweis).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation der Tierart Hund. Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger Kommentar zum TierSchG § 11b Rn. 9).

b) Österreich

Hunde mit den o. beschriebenen Defekten/ Syndromen sind in Österreich gemäß §5 TSchG als Qualzucht einzuordnen

Gegen § 5 des österreichischen TschG verstößt insbesondere, wer „ Züchtungen vornimmt, bei denen vorhersehbar ist, dass sie für das Tier oder dessen Nachkommen mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst verbunden sind (Qualzüchtungen), sodass in deren Folge im Zusammenhang mit genetischen Anomalien insbesondere eines oder mehrere der folgenden klinischen Symptome bei den Nachkommen nicht nur vorübergehend mit wesentlichen Auswirkungen auf ihre Gesundheit auftreten oder physiologische Lebensläufe wesentlich beeinträchtigen oder eine erhöhte Verletzungsgefahr bedingen“.

Die Verwendung des Wortes “insbesondere” bedeutet, dass es sich bei den in §5 aufgeführten Merkmale und Symptomen, um eine nicht vollständige Liste von Beispielen handelt und durchaus auch andere als die in der Liste aufgeführten zuchtbedingte Defekte, als Qualzuchtmerkmale gelten können.

Die Zucht mit Hunden, die unter folgenden Defektmerkmalen und den damit verbundenen Problemen leiden oder dafür genetisch prädisponiert sind, ist als Qualzucht zu qualifizieren, da folgende in § 5 aufgezählte Symptome verwirklicht sind: Verkürzung des Gesichtsschädels (z.B. Atemnot, Fehlbildungen des Gebisses), Veränderungen oder Entzündungen des äußeren Gehörganges und des Mittelohrs (z.B. Taubheit, neurologische Symptome), Entropium (Entzündungen der Lidbindehaut und/oder der Hornhaut, Blindheit), Wirbelkörpermalformationen und verkürzte Rute (Bewegungsanomalien), Hautfaltendermatitis (Entzündungen der Haut), Schwergeburten/Kaiserschnitte.
Die Zucht von French Bulldogs ist bereits aufgrund der Tatsache als Qualzucht zu qualifizieren, dass „mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass natürliche Geburten nicht möglich sind“ (Österreich. TSchG, 2022).

c) Schweiz

Hunde mit Defekten, die der Belastungskategorie 3 zuzuordnen sind, unterliegen gemäß Art. 9 der Verordnung des BLV „Tierschutz beim Züchten (TSchZV)“ einem Zuchtverbot.

d) Niederlande

Es ist in den Niederlanden gemäß Artikel 3.4. “Zucht mit Haustieren” des Tierhalter-Dekrets und Artikel 2 ” Zucht mit brachyzephalen Hunden” des Dekrets, verboten, Hunde zu züchten, deren Schnauze kürzer als ein Drittel der Schädellänge ist (135).

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/ oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

 

10. Relevante Rechtssprechung

Deutschland: OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.10.2022, 11 ME 221722

Österreich: Nein.

Schweiz: Nein.

Niederlande: Nein.

11. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Ja, werden auf Anfrage an Veterinärämter versandt bzw. Kontakt zur ausstellenden Behörde wird hergestellt.

Anordnungsbeispiele werden ausschließlich auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt.

12. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Hunden angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und/oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

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Beaucamp, E.; Beaucamp, S. (2021): Erlaubnistatbestände und -verfahren in der tierschutzrechtlichen Praxis. Nach § 11 Tierschutzgesetz. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer (Rechtswissenschaften und Verwaltung Handbücher). 

Binder, R. (2019): Das österreichische Tierschutzrecht. Tierschutzgesetz und Tierversuchsgesetz 2012 mit ausführlicher Kommentierung. 4. Auflage. Wien: Edition Juridica in der MANZ’schen Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH (Juridica Praxiskommentar).

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Hirt, A.; Maisack, C.; Moritz, J. (2023): Tierschutzgesetz. Kommentar. Mit TierSchHundeV, TierSchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO : Kommentar. 4. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen. 

Kluge, H.-G. (Hg.) (2002): Tierschutzgesetz. Kommentar. 1. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer (Rechtswissenschaften und Verwaltung Kommentare).

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