1. Ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt kann nach § 49 HVwVfG aufgehoben werden. Dies gilt aber nur, wenn einer der Widerrufsgründe in § 49 Abs. 2, Abs. 3 HVwVfG vorliegt.
  2. Erkennt die Behörde nachträglich, dass sie das Recht ursprünglich fehlerhaft angewendet hat, sind weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, noch diejenigen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HVwVfG einschlägig.
  3. 3. Die Behörde darf von einem Widerrufsvorbehalt nur Gebrauch machen, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt. Ein solcher muss nach Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes eingetreten sein.
  4. Eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 2 TierSchG darf nach derzeitiger Rechtslage nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden.
  5. Die Zucht von Savannah-Rassekatzen ist jedenfalls für die Generationen F 1 bis F 4 eine Qualzucht im Sinne des § 11 b TierSchG.“

An dieser Stelle möchten wir trotz der spannenden juristischen Feinheiten im Verlauf des Verfahrens (Punkte 1-4) nur auf die für alle Veterinärämter wichtige Aussage zur Einschätzung der Zucht von Savannah-Katzen der ersten vier Generationen als sogenannte Qualzuchten eingehen, die sich mit der Aussage des QUEN-Merkblatts zu diesen Hybridzuchten deckt.

Wie kam es zu diesem richtungsweisenden Urteil?

Im Zuge der Endbearbeitung des Merkblatts zur Savannah-Katze, das am 30.07.2022 erstmals veröffentlicht und inzwischen mehrfach aktualisiert wurde (https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-katze-hybridzucht-rasse-savannah/), ergaben Recherchen, dass diese Hybrid-Zuchten (Hauskatze x Serval) immer noch betrieben werden und die Nachkommen solcher Zuchten, die bereits im Ansatz tierschutzwidrig sind, zum Verkauf angeboten werden.

Dies veranlasste die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT), die als Kooperationspartner im Rahmen des Qualitätsmanagements in die Erstellung der QUEN-Merkblätter eingebunden ist, die Zucht von Savannah-Katzen mit Schreiben vom 23.09.2023 bei drei der jeweils örtlich zuständigen Veterinärbehörden anzuzeigen. (Der Text der anonymisierten Anzeige kann von Veterinärbehörden angefordert werden.)

Ein Veterinäramt hat sich daraufhin dieser Angelegenheit intensiv gewidmet, was zu dem nun vorliegenden Urteil führte.

Eine der relevanten Kernaussagen des Urteils lautet:
„Die der Klägerin ursprünglich erteilten Genehmigungen waren jedoch von Anfang an rechtswidrig, weil sie entgegen § 11b TierSchG die Zucht von Savannah-Rassekatzen der Generationen F1 bis F4 erlaubten.“

Auch wenn die Züchterin das Verfahren in der nächsten Instanz weiterführen möchte – was aus Tierschutzsicht absolut zu begrüßen ist, damit es eine obergerichtliche Entscheidung gibt -, möchten wir dieses Urteil, dessen Begründung und das oben genannte Merkblatt zu Savannah-Katzen den Veterinärbehörden, aber auch den Züchtern und Katzenzuchtverbänden noch einmal zur Kenntnis bringen.

Es liegt nicht im Ermessen der jeweils örtlich zuständigen Veterinärbehörden, ob sie gegen illegale Zuchten einschreiten. Wie sie einschreiten und welche Maßnahmen sie ergreifen, unterliegt zwar ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Diese Maßnahmen müssen jedoch erkennbar und in die Zukunft wirkend geeignet sein, um tierschutzwidrige Zuchten zu beenden. Mit den von QUEN zur Verfügung gestellten Informationen möchten wir Veterinärämter ermutigen, das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz in das behördliche Handeln als tägliche Routine zu integrieren und sie bei der Umsetzung des §11b TierSchG zu unterstützen.

Wie begründet das Verwaltungsgericht die Entscheidung, dass die ersten vier Generationen als Qualzucht einzuordnen sind?
„Nach § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG ist es unter anderem verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.

Dies ist bei der Zucht von männlichen Savannah-Rassekatzen der Generationen F1 bis F4 der Fall. Körperteile und Organe sind aus Zellen und Geweben zusammengesetzte Teile des Körpers, die genetisch festgelegte, für die Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit notwendige Funktionen erfüllen müssen (Hirt/Maisack/Moritz/Felde Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl., §11b, Rn. 4). Für den artgemäßen Gebrauch untauglich oder umgestaltet sind sie immer dann, wenn eine dieser Funktionen infolge der züchterischen Einflussnahme nicht mehr ausreichend erfüllt oder ausgeführt werden kann (Hirt, a. a. O.).

Durch die Hybridzucht der Klägerin ist das Fortpflanzungssystem bei allen männlichen Nachkommen der Generationen F1 bis F4 untauglich. Konkret liegt sowohl ein genetisch bedingter Defekt der Blut-Hoden-Schranke als auch eine genetisch bedingte fehlende Spermiogenese aufgrund einer Leydigzell-Hyperplasie bei Abwesenheit eines Lumens in den Hodengängen und bis zu über 70% abnorm aussehender missgebildeter Spermien vor, sofern diese überhaupt gebildet werden. Auch ein Kopfkappendefekt der Spermien ist gegeben. Dies folgt aus den Feststellungen der Amtstierärztin B., denen sich das Gericht anschließt. Die zuständigen Behörden sollen nach § 15 Abs. 2 TierSchG im Rahmen der Durchführung dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen den beamteten Tierarzt als Sachverständigen beteiligen. In einem Bereich, der nur begrenzt exakte Nachweise zulässt und einzelfallbezogene Wertungen erfordert, kommt ihrer fachlichen Beurteilung daher besonderes Gewicht zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.2014 – 3 B 62/13, Rn. 10, Juris).

Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 23.09.2024 hat der Beklagte damit Beeinträchtigungen der Katzen dargetan. Die Klägerin selbst hat diesen Ausführungen auch nicht widersprochen, sondern sich ihnen sogar angeschlossen, indem sie ausführte, dass bei den männlichen Savannah-Rassekatzen der Generationen F1 bis F4 eine genetisch bedingte Sterilität vorliegt.

Hierdurch entsteht den Katzen auch ein Schaden. Ein Schaden liegt vor, wenn der Zustand des Tieres von seinem gewöhnlichen Zustand vorübergehend oder dauerhaft zum Schlechteren abweicht, wobei völlig geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben. Der Schaden muss jedoch weder länger anhaltend sein noch besonders intensiv sein (Hirt/Maisack/Moritz/Felde Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl., §11b, Rn. 5). Unerheblich ist, ob sich das Tier beeinträchtigt fühlt. Die Abweichung kann auf körperlicher oder psychischer Grundlage beruhen. Der Sollzustand des Tieres bemisst sich an Tieren der gleichen Art (VG Hamburg, Beschl. v. 04.04.2018 – 11 E 1067/18, Rn. 47, Juris). Als Schaden im Sinne von § 11b Abs. 1 TierSchG genügt nicht nur das Fehlen eines Körperteils an sich. Vielmehr muss der Schaden gerade aufgrund des Defektes („hierdurch“) auftreten (VG Hamburg, a. a. O.).

Vorliegend führt die Fehlerhaftigkeit der Spermienproduktion zu einer Infertilität der gezüchteten Katzen der Generationen F1 bis F4. Dies ist bei gewöhnlichen Katzen nicht der Fall, da diese sich fortpflanzen können. Auch dies folgt aus den Feststellungen der Amtstierärztin B., denen sich das Gericht wiederum anschließt.“

Welche Bedeutung hat diese erneute Feststellung für den Vollzug des §11b TierSchG?
Für alle männlichen zur Zucht gehaltenen Servale ist ein Zuchtverbot und gegebenenfalls eine Anordnung zur Kastration erforderlich, da jede Bedeckung einer weiblichen Katze – unabhängig davon, in welcher Generation jenseits von F4 sie sich angeblich befindet* – zu einem Rückfall der Nachzucht in die F1-Generation führt und damit das Zuchtvorhaben unter das Zuchtverbot gemäß §11b TierSchG fällt.

* Ein tatsächlicher Beweis darüber, welche Nachzuchtgeneration bei einem Tier vorliegt, ist derzeit noch nicht möglich.

Das vollständige Urteil finden Sie hier:  https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240001215