Die öffentliche Debatte zur Publikation : https://bvajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/vetr.4396
haben wir zum Anlass genommen, die Hintergründe dieser Studie näher zu beleuchten und einzuordnen:

Die bei den Kaninchen vom Widder-Typ auftretenden Probleme werden im Praxisalltag ohne Einsatz bildgebender Verfahren häufig nicht erkannt da eine sichere Diagnose nur mittels CT (oder DVT, MRT) erfolgen kann.
Bis vor ein paar Jahren stand in Deutschland die möglicherweise mit den Schlappohren einhergehende Problematik nicht im Fokus der Forschung. Auch in anderen Ländern hat sich die Diagnostik erst in letzter Zeit, vor allem durch die Weiterentwicklung mehrdimensionaler bildgebender Verfahren (CT´s beim Kaninchen und anderen kleinen Heimtieren kamen früher nicht zum Einsatz), weiterentwickelt.
Erst in den letzten Jahren wurde in Deutschland begonnen, die Tiere vorsorglich mittels Wach-CT zu untersuchen, um die Otitiden frühzeitig(er) zu erkennen. Hierbei zeigte es sich deutlich, dass kaum ein Kaninchen mit Schlappohren gesunde Ohren hat. Wenn bei einzelnen Tiere mit Schlappohren, weite, nicht eingefallenen Gehörgänge festgestellt wurden, handelte es sich meist um Mischlinge mit anderen Rassen.

Im Rahmen des Deutschen Tierärztetags 2015 in Bamberg wurde im Arbeitskreis 1 in einem Beitrag bereits auf die zuchtbedingten Defekte, die sich in der Kaninchenzucht etabliert haben, hingewiesen.

Die Aussagefähigkeit einer Studie zu bestimmten Fragestellungen, wird bereits beim Design der Studie festgelegt, d.h. sie ist nur so aussagekräftig, wie es die Methodik hergibt.
Würde man, so die Mitteilung unserer Experten, eine solche Studie in Deutschland durchführen, dann würde bei Umfragen in nicht-spezialisierten Tierarztpraxen ein ähnliches Ergebnis erzielt werden, da die Otitiden bei Kaninchen in der Regel gar nicht erkannt werden, weil sie im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht oder kaum festzustellen sind. Ebenso wenig werden nicht spezialisierte Tierärztinnen und Tierärzte vorsorgliche CT´s beauftragen oder selbst durchführen. Umfragen mit gleicher Fragestellung in spezialisierten Praxen und Kliniken in Deutschland, die schwerpunktmäßig Kaninchenpatienten im Klientel haben, würden, so die Einschätzung der Experten, die deutliche Häufung von Otitiden beim Widderkaninchen bestätigen.

Ob es sich in Großbritannien bezüglich der Befundung (Einsatz von bildgebenden Verfahren zur Diagnostik) und der Erkennung von Ohrenerkrankungen bei Kaninchen mit Schlappohren anders verhält und das Problem bekannter ist bzw. in der Praxis häufiger beachtet wird und somit nicht aus Unkenntnis (ähnlich wie in Deutschland noch vor ein paar Jahren) die Problematik nicht erkannt und keine Bildgebung durchgeführt wird, ist ohne weitere Rücksprache mit den Autoren kaum feststellbar. Wir werden aber den Kontakt mit den Autoren der Studie aufnehmen, um ggf. nähere Informationen dazu zu erhalten.

Weitere Untersuchungen sind sicherlich erforderlich, um genauere Prävalenzen zum vermehrten Vorkommen von Ohrenkrankheiten bei Kaninchen mit hängenden Ohren zu bekommen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt sich aus den Ergebnissen der oben genannten Studie jedoch nach erneuter Auswertung bereits vorliegender Literatur dazu und insbesondere auch aufgrund der sonstigen Beeinträchtigungen, wie sie anschaulich auch auf der informativen Seite https://kaninchenwiese.de/widderkaninchen/ ausgeführt werden, für das Merkblatt zum Kaninchen Typ Widder, keine andere Einschätzung zur Eigenschaft der zuchtbedingten Defekte, als dass diese unter das Zuchtverbot gem. §11b TierSchG fallen (https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-kaninchen-typ-widder/).

Literatur:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25587734/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31575760/
https://elib.tiho-hannover.de/receive/tiho_mods_00000102

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0285372