Merkblatt Katze Haarkleid

Tierart: Katze
Defekt an Körperteil: Haarkleid
QUEN-Merkblatt Nr. 2
Bearbeitungsstand: 24.02.2023
Tierart: Katze
Defekt an Körperteil: Haarkleid
QUEN-Merkblatt Nr. 2
Bearbeitungsstand vom 24.02.2023

1. Beschreibung des Merkmals

Fehlendes, partiell fehlendes oder in Aufbau und Struktur stark verändertes Haarkleid (Leit-, Grannen- und Wollhaare) sowie ggf. verkürzte oder vollständig fehlende Schnurrhaare (Vibrissen, Tast- oder Sinushaare).

2.1 Bild 1

Fotos: Sphynx
oben:  Peter Mollard (Gemeinfrei)
unten: George Balatsos CC0 1.0 

2.1 Bild 2

Foto: Devon Rex
Stefan Groenveld CC BY-SA 2.5

Weitere Fotos finden Sie hier (Bild anklicken):

3. Betroffene Katzenrassen

Katzen mit fehlendem, partiell fehlendem Haarkleid oder haarlosen Varianten

Mexican Hairless, Canadian Sphynx, Don (Donskoy) Sphynx, Hemmingway Sphynx, Sphynxkin, Dossow, Peterbald, Ukraine Levkoy, Kohana (Hawaiian Hairless), Elf, Dwelf, Ugly Bad Boy (Powderpuff -Sphynx), Bambino, Minskin, Cheops, Bam Bob, Mynx, Lykoi

Katzen mit nachteilig verändertem Haarkleid in Struktur, Form, Länge oder Dichte

Rex-Katzen – in der Regel mit geknickten, verdrehten, gebogenen oder gekräuselten Vibrissen: American-, Bohemian-, Cornish-, Curly Abyssinian-, Dakota-, Devon-, Dutch-, German-, Himalayan-, Hoosier-, Israel-, Italian-, Mink-, Missouri-, Oregon-, Prairie-, Selkirk-, Sepia-, Tennesee-, Ural-Rex, American Wirehair, La Perm, Tasmanischer Manx (geknickte Vibrissen)

Achtung: 

Die Liste der aufgeführten Katzenrassen ist insbesondere zu weiteren Haartypen (z.B. auch mit übermäßigem Fell oder fehlender Unterwolle) nicht vollständig. Außerdem werden im Rahmen sogenannter Designer-Zuchten ständig neue “Kreationen“ vorgestellt.

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Hund, Mäuse, Meerschweinchen, Hamster usw.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Haarfollikeldysplasie, Hypotrichose, vermehrte Talg- und Fettbildung, Erforderlichkeit die Tiere regelmäßig zu baden/waschen.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau, daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen.

Physisch: 

Hautverdickung durch Wachstumsstörung und Fehlbildung der Haare (u.a. Haar-follikeldysplasie), Auftreten massiver Hautfalten an Kopf und Gliedmaßen häufig mit ausgeprägtem Hautpilzbefall und eitrigen Entzündungen, komplettes Fehlen, oder Verkürzung der Tasthaare.

Psychisch:

Einschränkungen im arteigenen Beute- und Sozialverhalten u.a. durch Schmerzen eitriger Hautpartien, ständiges Jucken und Kratzen durch Pilzbefall, Verminderung der für Katzen typischen Fellpflege, Unwohlsein durch Wärmeverlust, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit durch das Fehlen oder die Verkürzung der Tasthaare.

Belastungskategorie: Noch nicht eingestuft

7. Vererbung, Genetik, ggf. bekannte Genteste

Sowohl die Variante für Haarlosigkeit (Allel hr) als auch die Variante für gekräuseltes Fell (Allel re, verantwortlich für den Felltyp der Devon Rex-Katze) befinden sich im Gen KRT71SADRE. Außerdem gibt es in diesem Gen eine dem Wildtyp gegenüber dominante Variante (Allel SADRE), die für das gelockte Fell der Selkirk Rex-Katze verantwortlich ist.

Die Dominanzfolge ist demnach folgendermaßen:

KRT71SADRE > KRT71+ (Wildtyp) > KRT71hr > KRT71re

Eine rezessive Variante im Gen P2RY5 ist verantwortlich für das wollige Haar der Cornish Rex-Katze.

Aufzählung und ausführliche Beschreibung vorhandener Genteste in der Literatur (siehe dort).

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

Optische Identifizierung durch das auffällige Erscheinungsbild mit fehlendem- partiell fehlendem- oder stark verändertem Haarkleid und fehlenden oder unvollständig ausgebildeten Vibrissen.

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele  einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres.

a) notwendig erscheinende Anordnungen

–   Zuchtverbot: (unmittelbar auf § 11b gestützte Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1) 

Ausstellungsverbot: Bei dem Tier besteht aufgrund der sichtbaren Veränderung der Verdacht einer Qualzucht gem. §11b TierSchG, deshalb wird die Vorstellung des Tieres zur Bewertung und Ausstellung untersagt (ggf. muss zusätzlich eine Mitverantwortung der Richter und /oder Ausstellungsveranstalter für ein rechtswidriges Verhalten = Zucht entgegen §11b TierSchG berücksichtigt werden).

b) mögliche Anordnungen

–   Anforderung eines Genomprofils

–   dauerhafte Unfruchtbarmachung (Sterilisation bzw. Kastration).

     ggf. Überweisung zu weiterer fachtierärztlicher klinischer Untersuchung.

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Katzen mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Dabei ist zu beachten, dass das Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; vgl. Binder § 5 ÖTSchG zu Z 1).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation. Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger § 11b Rn. 12).

 – Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen (Lorz/Metzger § 11b Rn. 4). Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. 

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14).

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  • mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 a) TierSchG) oder
  •  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Beim Fehlen des Fells ist von einer von § 11b Abs. 1 TierSchG umfassten Umgestaltung des Körperteils Haut auszugehen

Das bewusste Züchten von haarlosen und fellveränderten Katzen erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch:

  • das vollständige oder teilweise Fehlen von Organen (Vibrissen)
  • die teilweise oder vollständige Funktionslosigkeit von Organen (Vibrissen)
  • Umgestaltung des Körperorgans Haut  (Fehlen oder Funktionseinschränkung des Haarkleides)
  • die Erwartung von Schmerzen, Leiden und Schäden

Bei Katzen mit fehlendem, partiell fehlendem oder nachteilig verändertem Haarkleid, wie z.B. bei den Sphinx- oder Rex-Katzen, muss davon ausgegangen werden, dass sowohl homozygote als auch heterozygote Nachkommen mit dem Rassestandard entsprechenden Defekten behaftet sind. Diese mit Leiden und Schäden assoziierten Defekte erfordern ein Zuchtverbot. 

Ein Tier mit einer genetisch bedingten Abweichung seines Haarkleides, seiner Tasthaare oder genetisch bedingten völligen Haarlosigkeit, ist bereits gemäß dem sogenannten Qualzuchtgutachten (1999) als Qualzucht zu klassifizieren. Das Gutachten bezog sich damals schon auf die Gesetzgebung vor der Einfügung des Artikels 20a in das Grundgesetz (Tierschutz als Staatsziel).

Gem. §11b TierSchG in der aktuellen Fassung ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […], soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse […] erwarten lassen, dass als Folge der Zucht […]bei der Nachzucht, den […] Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder […] bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten […]

Haarkleid und Tasthaare des Tieres sind Körperorgane, die für artgerechtes Verhalten und physiologische Vorgänge von erheblicher Bedeutung sind und wichtige Funktionen erfüllen. Das Haarkleid dient dem Schutz der Körperhaut und der Wärmeregulierung. Weitere Funktionen des Fells im Ausdrucksverhalten oder der Verteilung von Duftstoffen sind unmöglich, oder behindert. Über die Tasthaare werden Berührungsreize an das Gehirn übertragen, die den Tieren u. a. zur Orientierung dienen, um Objekte im Nahbereich unter 20cm wahrzunehmen. Die erhebliche Einschränkung des arteigenen Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens ist als Verhaltensstörung und damit als Leiden zu werten. 

 Wichtig: Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Beschreibung und Beurteilung in diesem Merkblatt auf ein sichtbares Symptom einer Qualzucht bezieht. Bei einem großen Teil dieser Tiere sind zusätzliche sichtbare und/ oder verdeckte Defekte und Dispositionen vorhanden oder bekannt, die durch zusätzliche Untersuchungen und/oder Genteste detektiert werden können.   

Fazit: Das Tier selbst ist als Defekt/Qualzucht zu klassifizieren. Züchterische Erkenntnisse lassen nicht nur erwarten, dass bei den Nachkommen mit Schmerzen, Leiden und Schäden verursachenden Einschränkungen gerechnet werden muss – es muss auch als erwiesen angesehen werden, dass ein mehr oder weniger großer Anteil der Nachkommen mit nicht unerheblichen Einschränkungen des Wohlbefindens leben werden müssen.

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

11. Relevante Rechtsprechung

VG Berlin, Urteil vom 23 September 2015-24K 202.14

VG Hamburg, B. v. 4. 4. 2018, 11 E 1067/18

VGH Kassel Beschl. v. 26.6.2003, 11 TG 1262/03, RdL 2003, 277, 278

12. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Ja:

1. Bundesland Berlin, Juni 2014

2. Bundesland Baden-Württemberg, Februar 2022.

Anordnungsbeispiele werden ausschließlich auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Katzen angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und/oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

Gough, A. et al. (2018): Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats.

Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats, 3rd Edition | Wiley

Schöll, Karina (2021): Qualzuchtmerkmale bei der Katze und deren Bewertung unter tierschutzrechtlichen Aspekten. Dissertation. Online verfügbar unter http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2021/15863/index.html.