Qualzucht bei Tauben

Je nach Ziel und Zweck wird bei der Zucht von Tauben  zwischen Rassetaubenzucht und Brieftaubenzucht unterschieden. 

Im Folgenden wird zunächst über tierschutzrelevante Zuchtziele bei Rassetauben informiert, da bei diesen die meisten Gesundheitsprobleme auftreten.

Rassetaubenzucht in Deutschland ist meist in nationalen Zuchtverbänden organisiert, die die Einhaltung der Rassestandards und damit den Erhalt der jeweiligen Rasse zum Ziel haben. Über den Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG) sind die Zuchtverbände auch Mitglied im Europäischen Kleintierzuchtverband Entente Européenne d`Aviculture et de Cuniculture (EE). Hier werden die Europastandards für Rassetauben abgestimmt und festgelegt. 

Tierschutzrelevante Zuchtziele

Bei Rassetauben sind im Wesentlichen Probleme bekannt die mit Hautveränderungen in den Körperregionen Schnabel und Kopf; Gefiederveränderungen in den Körperregionen Läufer/ Ständer, Schwanz, Kopf und Hals, Federmissbildungen; Färbungsvarianten und extremem Verhaltensmerkmalen zusammenhängen.

Die nachfolgenden Beschreibungen stammen überwiegend aus dem Merkblatt des Schweizer Tierschutzes (STS): TIERSCHUTZ UND RASSETAUBENZUCHT von Dr. Thomas Bartels, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bern http://www.tierschutz.com/publikationen/heimtiere/infothek/zucht/zucht08.pdf

Hier zunächst ein grober Überblick, Merkblätter zu den einzelnen Defekten werden nach und nach durch QUEN ergänzt.

Kurzschnäblige Mövchen- und Tümmlerwauben, Warzentauben

Veränderungen von Schnabelform und Schnabelgröße sind in der Rassetaubenzucht weit verbreitet. Neben lang- und krummschnäbligen Zuchtformen sind gerade außerordentlich kurzschnäblige Taubenrassen wie beispielsweise die «Orientalischen Mövchen» sehr beliebt. Solche Rassen lassen sich jedoch vielfach nur durch intensive Pflegemaßnahmen erhalten. Neben Schlupfproblemen ist insbesondere die Aufzucht der Taubenküken erschwert, da die eigenen Elterntiere ihren Nachwuchs aufgrund ihrer verkürzten Schnäbel nicht mehr aufziehen können, weshalb die Züchter hier auf rassefremde, normalschnäblige Ammentauben angewiesen sind. Allerdings sind die betreffenden Rassen nicht «von Natur aus» mit Stummelschnäbeln ausgestattet, sondern aus normalschnäbligen Ausgangsrassen durch eine konsequente Negativ-Auslese herausgezüchtet worden.

Geradezu monströse Veränderungen der Nasenwachshaut können Vertreter der Warzentaubenrassen «Carrier» und «Indianer» aufweisen. Bei den walnussartigen Schnabelwarzen dieser Rassen handelt es sich jedoch nicht um krebsartige Geschwulste, sondern um eine erblich bedingte Steigerung der Wachstumsrate der Schnabelwarzenhaut, die sich auch im Bereich der nackten Augenringe zeigt. Die mit zunehmendem Alter immer umfangreicheren Hautgebilde können betroffene Vögel erheblich behindern, da das Sehfeld der Tauben sehr stark eingeschränkt wird. Ältere Tiere sind dadurch regelrecht «futterblind» und können nicht mehr zielgerichtet nach Körnern picken. Auch ist eine normale Atmung oft nicht mehr möglich, weil die Nasenöffnungen durch die Wachshautwucherungen eingeengt werden. Weiterhin sollen in den Falten der Schnabelwarzen häufig entzündliche Prozesse auftreten.

Kropftauben

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei einigen Kropftaubenrassen. Bei diesem Haustaubentyp führt das übersteigerte Balzverhalten häufig zu Problemen. Täuber aller Haustaubenrassen vermögen ihren Kropf mit Luft aufzublasen, um größer und kräftiger zu erscheinen und dadurch Rivalen zu imponieren, wenn ein Weibchen umworben wird oder es einen Nistplatz zu verteidigen gilt. Bei bestimmten Kropftauben äußert sich diese Verhaltensweise allerdings in grotesk übersteigerter Form. Die Tiere blasen bei jeder Erregung den Kropf auf, wobei weibliche Tiere den Täubern kaum noch nachstehen. Durch das ständige Überdehnen der Kropfwand erschlafft häufig das Bindegewebe im Halsbereich, so dass vor allem stark «blasende» Täuber zu Hängekröpfen neigen. Die Folge solcher Kropferweiterungen können chronische Entzündungen der Kropfwand sein, da sich Futterreste im erschlafften Kropf zersetzen.

Federfüssigkeit, Federhauben und Federwirbel 

«Belatschte» Taubenrassen weisen infolge einer Umwandlung der Fuß- und Laufbeschuppung in Federn eine ausgeprägte Befiederung der Beine und Zehen auf. Insbesondere im «Blutkiel-Stadium» während des Federwachstums sind diese Federn einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt. Erwachsene Tiere werden durch eine weit ausladende Fußbefiederung beim Laufen behindert und sind zudem in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt, da durch die Fußbefiederung die Angriffsfläche für den Wind beträchtlich erhöht wird und die Tiere leicht verdriftet werden. Wenn die Fußbefiederung während der Brutzeit nicht vom Züchter beschnitten wird, kann dies auch zu einer Beeinträchtigung des Bruterfolges führen, da Elterntiere mit ihrer ausladenden Lauf- und Zehenbefiederung nicht selten die Gelege beschädigen oder kleine Jungtiere aus dem Nest werfen.

Verbreitet sind bei Haustauben Wirbelbildungen im Kopfgefieder. Halten sich diese in Grenzen, sind die Tiere in ihrem Normalverhalten wenig beeinträchtigt. Anders sieht es aus, wenn umfangreiche Federhauben das Sehfeld einschränken und so den Tieren eine artgemäße Lebensweise sehr erschweren. Ähnlich verhält es sich mit Kragenbildungen des Halsgefieders. Beim Altholländischen Kapuziner ist das Blickfeld wenig eingeschränkt. Die Tiere werden durch ihren «Federschmuck» nur unwesentlich behindert, sind allerdings bei Freiflughaltung bereits einem höheren Risiko durch Greifvogelattacken ausgesetzt. Bei Perückentauben ist der Kopf hingegen regelrecht von Federn eingehüllt. Auch hier muss in der Brutzeit mit der Schere eingegriffen werden, um ggf. die versehentliche Schädigung der Nachzucht zu vermeiden.

Färbungsvarianten – Färbungsmuster

Aus der Rassetaubenzucht sind einige Zeichnungsmuster bekannt, die ihre Existenz Defektgenen verdanken. So bewirkt ein als «Dominant-Opal» bezeichneter Erbfaktor bei Tauben, die das Gen nur in einfacher Ausführung besitzen, neben weißen Flügelbinden gleichzeitig eine Farbaufhellung des Körpergefieders sowie das Ausbleichen von Schwung- und Schwanzfedern. Reinerbigkeit für diese Erbanlage führt in der Regel noch vor dem Schlupf der Küken zum Tod. Gelegentlich auftretende reinerbige «Durchbrenner», das heißt Tiere, die sich trotz des in doppelter Ausführung vorhandenen Defektgens entwickeln können, sind durch ein noch stärker aufgehelltes, fast weißes Federkleid gekennzeichnet. Sie erreichen nur in Ausnahmefällen die Geschlechtsreife. In ähnlicher Weise führt der «Almond-Faktor» der Haustaube bei für diese Erbanlage mischerbigen Tauben ebenfalls zu einer für Liebhaber attraktiven vielfarbigen Sprenkelung. Reinerbige «Almonds» hingegen sind, sofern sie nicht bereits vor dem Schlupf absterben, nahezu reinweiß gefärbt und weisen Augenmissbildungen und hochgradige Sehstörungen auf. In Kombination mit weiteren Erbanlagen, die zur Aufhellung des Gefieders führen, soll sich dieses Erbleiden auch bei mischerbigen Almonds vitalitätsmindernd auswirken. Auffällig sind besonders die mehr oder weniger stark ausgeprägten Bewegungs- und Orientierungsstörungen der betroffenen Tiere. In der Rassetaubenzucht sollte auf die Zucht mit Erbanlagen verzichtet wird, die Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen. Eigentlich dürften Tauben der genannten Farbschläge wenn überhaupt, nur mit Geschlechtspartnern verpaart werden, die aufgrund ihrer Gefiederfärbung als genetisch unbelastet einzustufen sind. Nur so können Brutverluste vermieden und das Auftreten erkrankter Nachzucht verhindert werden.

Verhaltensstörungen – Zitterhalsigkeit und Bodenpurzler

Neben körperlichen Merkmalen ist bei Tauben auch das Verhaltensrepertoire züchterisch verändert worden. Verhaltensäußerungen und Bewegungsmuster können dabei bis ins Absurde verändert sein. Die Verhaltensstörung «Zitterhalsigkeit» äußert sich in einem ruckartigen Hin- und Herschwingen des Halses bei gleichzeitig stark verlangsamten Körperbewegungen. Zitterhalsige Tauben bewegen sich daher unnatürlich und auffallend starr. Bei einigen Rassen werden die negativen Auswirkungen der Zitterhalsigkeit in erregtem Zustand noch durch ihre abweichende Körperhaltung mit angehobener Brustpartie und weit nach hinten gebeugtem Kopf verstärkt. In «Paradestellung» trippeln solche Tiere auf den Zehenspitzen, was zusammen mit einer grotesk veränderten Körperhaltung nicht selten zu Gleichgewichtsstörungen führt.

Als «Bodenpurzler» werden Haustauben bezeichnet, die bei Beunruhigung nicht mehr auffliegen, sondern stattdessen einen oder mehrere Überschläge ausführen. In eigenen Wettbewerben werden Stil und Ausführung dieser «artistischen Leistungen» von Wertungsrichtern benotet. Spezielle, als «Bodenroller» bezeichnete Vertreter können dabei über weite Strecken über den Boden wirbeln und dabei mehr als 200 Überschläge in Folge durchführen. Ursache für dieses Fehlverhalten sind erbliche Stoffwechselstörungen. Für die Bewegungskoordination wesentliche Botenstoffe sind im Gehirn betroffener Tiere nicht mehr im hinreichenden Maße vorhanden. 

Die zugehörige und weiterführende Literatur finden Sie hier.