Dr. Barbara Felde

Die Tierschutz-Verbandsklage – große Chance oder Feigenblatt?

Für den Bereich des Umwelt- und Naturschutzes gibt es seit langem ein bundesweites sogenanntes Verbandsklagerecht für anerkannte Umweltverbände. Mit diesem können Umweltverbände Klagen erheben, wenn sie ein bestimmtes Vorhaben – z. B. den Bau eines Logistikparks – von einem Gericht überprüft sehen wollen, wenn sie der Meinung sind, bei der Bauleitplanung wurde gegen umweltschützende Vorschriften verstoßen oder diese nicht hinreichend berücksichtigt. Die Verbandsklage ist etwas Besonderes, denn eigentlich kann im deutschen Recht nur derjenige klagen, dessen eigene/persönliche Rechte durch ein Vorhaben oder durch eine behördliche Maßnahme betroffen werden. Das sind aber nie Umweltverbände. Um diesen zu ermöglichen, die Natur vor Beeinträchtigungen zu schützen, hat man ihnen daher per Gesetz ein eigenes Klagerecht gegeben. 

Auch im Tierschutzrecht gibt es ein ähnliches Modell, die Tierschutz-Verbandsklage. Allerdings ist diese nicht bundesweit gültig, sondern gilt nur auf Bundesländerebene. Und noch nicht einmal alle Bundesländer haben ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände geregelt: Von den 16 Bundesländern haben folgende Länder ein Tierschutz-Verbandsklagegesetz erlassen: Bremen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hamburg und das Saarland. Nur in diesen Ländern ist eine Tierschutz-Verbandsklage überhaupt möglich. 

Verbandsklageberechtigt ist auch nicht automatisch jeder Tierschutzverband in diesen Bundesländern. In allen Bundesländern mit Tierschutz-Verbandsklage muss eine Klageberechtigung durch den Tierschutzverband beantragt werden. An die Anerkennung als verbandsklageberechtigter Tierschutzverband werden bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die in den Bundesländern alle fast identisch sind: Der Tierschutzverband muss rechtsfähig sein und in dem Bundesland, in dem er die Anerkennung beantragt, entweder seinen Sitz oder aber eine sitz-ähnliche „Regionalgruppe“, einen Landesverband oder Ähnliches haben. Der Verband muss nach seiner Satzung den Tierschutz fördern und seit mehreren Jahren in dem Bundesland in diesem Sinne tätig sein. Weiter muss er nach Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten und schließlich grundsätzlich jeder Person eine vollwertige Mitgliedschaft ermöglichen.

Meist wird auf den Websites der zuständigen Behörden veröffentlicht, welche Tierschutzverbände in dem jeweiligen Land verbandsklageberechtigt sind. In Berlin sind dies ausweislich der Website der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung die TierVersuchsGegner Berlin und Brandenburg e. V., PETA Deutschland e. V., Ärzte gegen Tierversuche e. V., der Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corporation e. V., die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V., die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz und die Albert-Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. 

Leider ist das Klagerecht für Tierschutzverbände – anders als das für Umweltverbände – nicht nur regional, sondern auch inhaltlich sehr eingeschränkt. Ja nach Bundesland dürfen die Tierschutzverbände nur wenige Maßnahmen mit einer Klage angreifen, so dass für tierschutzrechtlich bedeutsame Fallgruppen und behördliche Maßnahmen eine Klage schon gar nicht möglich ist. Zusätzlich stehen zum Teil nicht alle Klagearten zur Verfügung. Beispielsweise ist gegen eine Tierversuchsgenehmigung in allen acht Bundesländern ausschließlich eine Feststellungsklage möglich. Diese verhindert nicht, dass ein Tierversuch gemacht werden darf. Im Gegenteil: Eine gerichtliche Entscheidung könnte lediglich feststellen, dass eine Tierversuchs-Genehmigung rechtswidrig war und nicht hätte erteilt werden dürfen – mit einem solchen Urteil ist aber u. U. erst Jahre nach dem Tierversuch zu rechnen. Da ein Feststellungsurteil nicht vollstreckbar ist, kann der Tierschutzverband letztlich nichts damit anfangen. Er hat vielleicht Recht bekommen. Keinem Tier hilft das jedoch noch.