Merkblatt Hund Pigmentierung Haut-Haarkleid (Albinismus)

Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Pigmentierung Haut Haarkleid (Albinismus)
QUEN-Merkblatt Nr. 7
Bearbeitungsstand: 24.02.2023
Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Pigmentierung Haut-Haarkleid
QUEN-Merkblatt Nr. 7
Bearbeitungsstand vom 24.02.2023

1. Beschreibung des  Merkmals

Reduziertes oder fehlendes Pigment in Haut und Haaren (Albinismus)

2.1 Bild 1

Foto: Pekingese
mit frdl. Genehmigung von Dr. Anna Laukner

2.1 Bild 2

Foto: Dobermann
mit frdl. Genehmigung des Veterinäramtes Dresden

3. Betroffene Hunderassen

Albinismus ist gemäß internationalem Zuchtreglement der FCI bei keiner Hunderasse zur Zucht zugelassen. Sporadisch tritt Albinismus als rezessiv vererbtes Merkmal in verschiedenen Rassen auf, bei einigen Rassen wurde die verantwortliche Variante bereits molekulargenetisch identifiziert. Durch den Wunsch mancher Hundekäufer nach einem besonders „exklusiven“ Erscheinungsbild werden in bestimmten Rassen außerhalb anerkannter Zuchtverbände albinotische Hunde gezielt gezüchtet, um diese Nachfrage zu bedienen.

Molekulargenetisch nachgewiesen als Deletion im Gen SLC45A2 beim Dobermann, Lhasa Apso, Pekingese, Zwergspitz, Mischling und Bullmastiff; als Punktmutation im Gen OCA2 beim Großspitz; als Punktmutation im Gen TYR beim Dachshund (als thermolabile Tyrosinase-Variante). Weitere Variante(n) vermutet beim Mops („pink pug“) und einigen anderen Rassen.

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Kann sporadisch bei allen Pigment bildenden Tierarten vorkommen. Gezielte Zucht vor allem bei Labornagern und als „Farbmorphe“ bei Reptilien; Thermolabile Tyrosinase-Varianten als „Akromelanismus“ bei Katzen (Colorpoint, Siam, Himalaya etc.) bei diversen anderen Heimtierarten.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Je nach Ausmaß können durch den fehlenden Schutz durch Melanine in der Haut UV-Strahlungsbedingte Schäden wie Solardermatitis, aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinome auftreten. Betroffen sind vor allem kurz behaarte und unbehaarte Bereiche der Haut, Schleimhaut und der mukokutanen Übergänge.
Durch das mehr oder weniger vollständig fehlende Pigment in der Iris und im Augenhintergrund kommt es zur Blendempfindlichkeit und zu Sehschwäche bei Lichtstärken, die normalem Tageslicht entsprechen.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau, daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen.

Physisch: Solardermatitis, aktinische Keratose, Plattenepithelkarzinome stellen Schäden dar und verursachen Schmerzen, die je nach Ausmaß erheblich sein können. Blendempfindlichkeit verursacht Schmerzen und schränkt das Tier in seinem Verhalten ein (s.u.).

Psychisch: Durch Blendempfindlichkeit und eingeschränktes Sehvermögen wird das betroffene Tier an der uneingeschränkten Ausübung seines artgemäßen Verhaltens bei Tageslicht (und bei Kunstlicht vergleichbarer Lichtstärke) gehindert.

Belastungskategorie: Noch nicht eingeordnet.

7. Vererbung, Genetik, ggf. bekannte Genteste, ggf. Generic Illness Severity Index

  1. OCA (Dobermann)
  2. caL (Lhasa Apso, Pekingese, Zwergspitz, ggf. kleine Mischlinge)
  3. OCA4 (Bullmastiff)
  4. oca2 (Großspitz, evtl. Mittelspitz)
  5. ch (Dachshund)

Bei allen bisher identifizierten Varianten handelt es sich um autosomale-rezessive Varianten.

Genteste: Ein kommerzieller Gentest ist verfügbar.

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

  1. Adspektion (Fellfarbe, Hautfarbe, Augenfarbe), Klinische Untersuchung (insbesondere spezielle Untersuchung der Haut, ggf. ophtalmologische Untersuchung).
  2. Gentest (siehe 7.)

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres.

a) notwendig erscheinende Anordnungen

Falls es sich um testbare Varianten handelt:

Verbot der gezielten Zucht albinotischer Hunde; heterozygote Hunde dürfen nur mit frei getesteten Zuchtpartnern verpaart werden.

Kastration von homozygoten und heterozygoten Hunden, falls mehrere betroffene (hetero- und homozygot) Hunde unterschiedlicher Geschlechter in einem Haushalt gehalten werden oder falls eine Verpaarung betroffener Hunde nicht anderweitig zuverlässig ausgeschlossen werden kann.

Falls es sich um nicht testbare Varianten handelt:

Ophtalmologische Untersuchung betroffener Hunde

Kastration betroffener Hunde, da Zuchtpartner nicht getestet werden können

b) mögliche Anordnungen

Falls bereits Nachkommen des/der betroffenen Hunde(s) gezüchtet wurden: Herausgabe der Kontaktdaten der Welpenkäufer, um diese über das Gesundheitsrisiko homozygoter Welpen und das Zuchtrisiko mit heterozygoten Welpen aufzuklären und ggf. die für den Wohnort der Welpenkäufer zuständige Behörde zu informieren.

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Hunde mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Dabei ist zu beachten, dass das Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; vgl. Binder § 5 ÖTSchG zu Z 1).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation. Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger § 11b Rn. 12).

 – Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen (Lorz/Metzger § 11b Rn. 4). Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. 

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14)

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  • mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 a) TierSchG) oder
  •  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Die Zucht von Tieren mit einem oder mehreren der oben beschriebenen Defekte erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch:

Das in den Pigmentzellen produzierte Melanin erfüllt wichtige Funktionen als UV-Schutz in der Haut und in den Augen. Stark reduzierte bis vollständig fehlende Pigmentproduktion und –einlagerung erhöht die Empfindlichkeit der Haut und der Augen für UV-bedingte Schäden (Haut) und Funktionsstörungen (Augen).

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

11. Relevante Rechtsprechung

12. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Ja: Bundesland Sachsen, August 2020.

Anordnungsbeispiele werden ausschließlich auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Hunden angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und /oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind , beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

Gough et al. (2018): Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats.

Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats, 3rd Edition | Wiley

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