Merkblatt Hund Fehlendes Haarkleid

Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Fehlendes Haarkleid
QUEN-Merkblatt Nr. 4
Bearbeitungsstand: 14.08.2024
Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Fehlendes Haarkleid
QUEN-Merkblatt Nr. 4
Bearbeitungsstand vom 14.08.2024

1. Beschreibung des Merkmals

Fehlendes oder teilweise fehlendes Fell, häufig fehlen teilweise die Vibrissen oder sind in Anzahl oder Ausprägung funktionseingeschränkt. Mexikanische Nackthunde (Xoloitzcuintle), Peruanische Nackthunde (Perro sin pelo del Perú) und Chinesische Schopfhunde (Chinese Crested Hairless Dog) sind durch fehlende Haare und ggf. fehlende Zähne gekennzeichnet, ein Phänotyp, der als Canine Ektodermale Dysplasie bei Hunden (CED) bezeichnet wird. Da der Defekt als ein autosomal-dominantes Merkmal vererbt wird, erscheint der Phänotyp bei heterozygoten Hunden als haarlos und variiert in der Ausprägung der Haarlosigkeit. Haare erscheinen meist nur an Kopf, Pfoten und Rute. Hunde, die die zugrundeliegende genetische Variante nicht besitzen, werden beim Chinesischen Schopfhund als „Powderpuffs“ (Puderquasten) bezeichnet. Charakteristisch für „Powderpuffs“ ist ihr von langem, seidigem Fell bedeckter Körper. Die behaarten Varietäten des Mexikanischen und Peruanischen Nackthundes sind kurz und glatt behaart.

Mexikanische und Peruanische Nackthunde gibt es in verschiedenen Größen (Varietäten: Standard, Mittel und Miniatur) und Farbschlägen.

Die Haarlosigkeit des American Hairless Terriers wird durch eine Variante in einem anderen Gen (SGK3) hervorgerufen und vererbt sich autosomal rezessiv. Um dem Idealbild der jeweiligen Rasse zu entsprechen, wird häufig unerwünschtes Resthaar am Rumpf vor Ausstellungen durch Epilation entfernt. 

2.1 Bild 1

Peruanischer Nackthund
Foto: QUEN-Archiv

2.1 Bild 2

Foto: Chinesischer Schopfhund
Tommy Gildseth Lizenz: CC BY 3.0

Weitere Fotos finden Sie hier (Bild anklicken):

3. Betroffene Hunderassen*

FOXI3-Variante: Chinesischer Schopfhund, Mexikanischer Nackthund (Xoloitzcuintle), Peruanischer Nackthund (Perro sin pelo del Perú, Peruvian Inca Orchid Dog, Moonflower Dog, Viringo), Französische Bulldoggen-Mixe („Hairless Bully“)

SGK3-Variante: (American Hairless Terrier) Eine SGK3-Variate kommt in geringer Frequenz auch in anderen Rassen vor (z.B. Deerhound), wird dort aber nicht züchterisch gefördert.

 * aufgelistet werden Rassen unabhängig davon ob und in welchem Zuchtverband gezüchtet wird, oder die Rassen z.B. von der FCI anerkannt sind.

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Mäuse, Hausschwein (z.B. Schwarzes Iberisches Schwein). Bei Ratten und Mäusen ist die Haarlosigkeit häufig gekoppelt mit einem Fehlen der Thymusdrüse.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Mit der ektodermalen Dysplasie durch die Variante in FOXI3 kann eine Reihe von Zahnanomalien einhergehen. Unabhängig von der zugrundeliegenden genetischen Ursache sind Nackthunde durch das fehlende Fell schlechter vor Witterungseinflüssen wie Hitze, Kälte, Regen und Wind geschützt. Insbesondere in unpigmentierten Bereichen fehlt der natürliche UV-Schutz.

Viele dieser Tiere neigen zu Hautproblemen wie Komedonenbildung/Akne (bedingt durch die deformierten Haarfollikel, in denen sich übermäßig Keratinschuppen anstauen), zeigen eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit und /oder Automutilation und neigen, aufgrund ihres Mangels an natürlichem Schutz gegen die Sonne, zu Sonnenbrand und Hautkrebs (insbesondere aber nicht ausschließlich in unpigmentierten Hautbereichen). Bei kälteren Temperaturen benötigen die Tiere energiereicheres Futter, um ihre Körpertemperatur aufrecht erhalten zu können, oder Schutzkleidung.

Es wurde festgestellt, dass der Tränenfilm der peruanischen Nackthunde eine andere Zusammensetzung hat, dadurch schneller aufreißt und die Tiere häufiger Hornhautulcera haben.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau, daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen.

Physisch:

Hauterkrankungen:

Der Phänotyp haarloser Hunde aufgrund der Variante im Gen FOXI3 wird als Canine Ektodermale Dysplasie (CED) klassifiziert. Die sichtbaren Merkmale sind ein spärliches oder fehlendes Haarkleid und ggf. fehlende oder abnormal geformte Zähne. Viele dieser Tiere neigen zu Hautproblemen wie Komedonenbildung/Akne (bedingt durch die deformierten Haarfollikel, in denen sich übermäßig Keratinschuppen anstauen), zeigen eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit und /oder Automutilation, und aufgrund ihres Mangels an natürlichem Schutz gegen die Sonne zu Sonnenbrand und Hautkrebs (insbesondere in unpigmentierten Hautbereichen). Bei kälteren Temperaturen benötigen die Tiere energiereicheres Futter und / oder Schutzkleidung um ihre Körpertemperatur aufrecht erhalten zu können.

Fehlende Vibrissen:

Die Tasthaare des Haushundes sind Teil eines Tastorgans im Gesichtsbereich. Jedes der steifen, langen Tasthaare besitzt einen eigenen, sensibel innervierten spezialisierten Haarfollikel. Dieser ist beim Hund sehr ähnlich aufgebaut wie bei der Katze. Die Tasthaare (Vibrissen) haben eine Sinnesfunktion und sind als Sinnesorgane zu werten. Das haben u.a. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen am Marine Science Center der Universität Rostock unter d. Leitung von Prof. Dehnhardt in der Studie “Funktion und Leistung des Vibrissensystems von Hunden“ eindeutig belegen können (Dehnhardt et al., unveröffentlicht. Studienbericht liegt QUEN vor). Mit dem Fehlen, der eingeschränkten oder vollständigen Funktionslosigkeit der Vibrissen, fehlt ein Sinnesorgan oder ist ein Sinnesorgan geschädigt.
In diesem anschaulichen Video erklärt PD Dr. med. vet. Dorothea Döring aus dem Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der Ludwig-Maximilians-Universität München die Bedeutung der Tasthaare beim Haushund.

Zahnanomalien:

Von den 42 im bleibenden Gebiss des Hundes bestehenden Zähnen wird lediglich das Fehlen des P1 als genetisch unauffällige Rückentwicklung angesehen, da dieses Phänomen auch beim Wildcaniden zu beobachten ist, und kann dementsprechend physiologisch beim Haushund fehlen. Anders gestaltet sich dies bei der haarlosen Rassevarietät des Peruanischen Nackthundes, für die aufgrund der durch die Mutation im FOXI3-Gen ausgelösten CED Zahnanomalien oder das Nicht-Vorhandensein von Zähnen typisch ist. Während bei der behaarten Varietät des Perro sín Pelo del Peru im Rassestandard fehlende Zähne als disqualifizierende Fehler ausgelegt werden, werden sie bei der haarlosen Varietät aufgrund der Unumgänglichkeit dieser Veränderung geduldet.
Hypodontie ist einer peruanischen Studie zufolge so weit in der Rasse verbreitet, dass den untersuchten Tieren im Durchschnitt 20 (Rüden) bzw. 17 (Hündinnen) Zähne fehlten. Dabei sind die Zähne zum Teil nicht angelegt. Dieser Fakt ist schon lange bekannt und wird in der Regel auch von keiner Seite bestritten. Zudem ist eine Gruppe von Zahnanomalien möglich, die zum sogenannten „Hairless Mouth“ zusammengefasst werden. Dabei sind die Zähne zum Teil mit zu flachen Wurzeln ausgestattet, verschmolzen oder weisen sehr dünnen Zahnschmelz auf. Auch die Form und Stellung der einzelnen Zähne kann unphysiologisch sein. Solche Zahnanomalien können wiederum ebenfalls zum verfrühten Ausfallen der Zähne führen, oder zu Zahnbruch, woraufhin ein Ziehen der Zähne nötig ist.
Eine Selektion auf haarlose Tiere ohne Gebissfehlbildungen scheint aussichtslos. Es ist molekulargenetisch anerkannt, dass die Haarlosigkeit mit Gebissanomalien einhergeht, die somit für das Merkmal fehlendes Haarkleid in Kauf genommen werden.

Als Folge der Zahnanomalien können Hündinnen nicht mehr in der Lage sein ihre Welpen selbstständig abzunabeln. Dies kann dazu führen, dass eine Geburt ohne menschliche Assistenz nicht mehr möglich ist. Versucht die Mutterhündin, ihre Welpen selbstständig abzunabeln, ohne, dass sie dazu aufgrund der Zahnanomalien in der Lage ist, kann dies zu einer Schädigung der Welpen führen, beispielsweise durch Nabelvorfall.
Arttypisches Beknabbern des Körpers ist nicht mehr möglich, beispielsweise bei Juckreiz. Bei arttypischem Verhalten, beispielsweise bei der Ausführung von Zerrspielen oder der Verwendung von Kauartikeln, kann vermehrter Zahnbruch auftreten.

Augenerkrankungen:

Aufgrund der CED weisen haarlose peruanische Nackthunde zum Teil funktionslose oder vollständig fehlende Meibomsche Drüsen auf. Diese produzieren ein Sekret, das das Auge feucht hält, indem es einen Teil des Tränenfilms bildet, der bei haarlosen Nackthunden laut einer peruanischen Studie unphysiologisch schnell aufreißt. Somit sind die Tiere vermehrter Augentrockenheit ausgesetzt, die zu einer Keratokonjunktivitis sicca führen kann.

Psychisch: 

Störung des arteigenen Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens. Hunde kommunizieren unter anderem durch das Aufstellen der Rückenhaare ('Bürstenbildung'). Hierdurch wird im sozialen Umgang u. a. mit Artgenossen vor allem eine Angst-Aggression sowie Unsicherheit ausgedrückt. Einem unbehaarten Hund ist die Übermittlung der spezifischen Botschaft an Artgenossen erschwert, was eine Einschränkung der sehr ausgefeilten Interspezieskommunikation mit anderen Hunden bedeutet.

Belastungskategorie: 3

7. Vererbung, Genetik, ggf. bekannte Genteste, ggf. Generic Illness Severity Index

FOXI3-Gen

Die ektodermale Dysplasie bei Hunden (CED) wird als monogen autosomale ko-dominante Variante im Gen FOXI3 vererbt und wirkt im homozygoten Genotyp als Letalfaktor, der zum Absterben der Embryonen schon im Mutterleib führt. Diese Variante ist die genetische Grundlage der heterozygot haarlosen Varietät in den Rassen Chinese Crested Hairless Dog, Xoloitzcuintle und Peruanischer Nackthund.

Entgegen der bei einem normalen dominant-rezessiven Erbgang zu erwartenden Verteilung kommt es bei der Verpaarung von zwei unbehaarten Hunden zu einem durchschnittlichen Verhältnis von 2:1 zwischen unbehaarten und behaarten Nachkommen.  Das ergibt sich aus dem Umstand, dass das Haarlosigkeitsgen in homozygoter Form letale Wirkung hat und daher die nach Mendel zu erwartenden 25% homozygot haarlosen Welpen nicht geboren werden und die normalerweise nach der zweiten Mendelschen Regel zu erwartenden 25% homozygot behaarten und 50% heterozygot haarlosen 100% der lebend geborenen Welpen ausmachen.

Paart man dagegen einen behaarten Hund mit einem Nackthund, so entstehen je zur Hälfte nackte und behaarte Hunde. Diese Art der Zucht vermeidet die phänotypische Ausprägung des Letalfaktors. Um weiterhin haarlose Hunde züchten zu können schreibt der FCI -Standard 234 vor: „Verpaarungen zweier behaarter Xoloitzcuintles sind nicht zulässig. Der Bestand an behaarten Xoloitzcuintles zu Zuchtzwecken darf ausschließlich von registrierten Hunden abstammen, die mindestens in den letzten drei Generationen aus Verpaarungen von Unbehaarten mit Unbehaarten abstammen.“ Damit wird standardmäßig die Zucht mit defekttragenden Tieren verlangt.

SGK3-Gen

Eine monogen autosomal-rezessive Variante (Deletion) im Gen SGK3 ist verantwortlich für die Haarlosigkeit des American Hairless Terriers. Die Homozygotie ist beim American Hairless Terriern nicht letal.

Eine andere Variante im Gen SGK3 (Insertion) wurde auch beim Scottish Deerhound identifiziert. Bei diesem stellt die Haarlosigkeit jedoch kein dem Rassestandard entsprechendes Merkmal dar und wird entsprechend auch nicht züchterisch gefördert.

Die von diesen Varianten betroffenen Hunde werden mit einem Flaum behaart geboren und verlieren diesen im Laufe der ersten Lebenswochen, es handelt sich somit bei diesen Varianten um eine postnatale Entwicklungsstörung der Haarfollikel.

 EDA-Gen

X-chromosomal rezessive Varianten im Gen EDA wurden sporadisch beim Dachshund und bei Mischlingen molekulargenetisch identifiziert. Sie stellen derzeit bei keiner Hunderasse ein züchterisch erwünschtes Merkmal dar. Diese Variante führt neben haarlosen Arealen zu fehlenden Schweiß- und Bronchialdrüsen. Es handelt sich um eine Follikelaplasie.

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

Zunächst optische Identifizierung durch das auffällige Erscheinungsbild mit komplett oder teilweise fehlendem Haarkleid, ggf. fehlende oder durch Umgestaltung funktionsbeeinträchtigte Vibrissen, oder optische Identifizierung der Rasse bei spärlichem, langem, seidigen Fell.

Unter Umständen zusätzliche Bestätigung durch Adspektion der Zähne (fehlende Zähne und Zahnanomalien bei Hunden mit FOXI3 und EDA-Varianten).

 Ggf. Test auf das Vorliegen weiterer Defekte wie z.B. bei Chinese Crested Dog die Canine Multiple Systemdegeneration (CMSD) – Chinese Crested Typ, der aber auch bei behaarten Hunden anderer Rassen vorkommt. Betroffene Tiere entwickeln sich normal bis zu einem Alter von 3-6 Monaten. Danach entwickeln die Tiere eine cerebelläre Ataxie, die sich zuerst in Bewegungsstörungen des Kopfes, später der Beine äußert. Die Tiere können immer schlechter laufen, fallen immer häufiger und verlieren mit der Zeit auch die Fähigkeit stabil zu stehen. Im Alter von 1-2 Jahren müssen die Hunde zumeist euthanasiert werden.

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres.  

a) notwendig erscheinende Anordnung

Zuchtverbot

Eine unmittelbar auf § 11b gestützte Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1 zum Zuchtverbot und Anforderung eines Gentestes.

Ausstellungsverbot seit dem 01.01.2022 besteht für Tiere, die unter das Verbot von Qualzuchten (§11b TierSchG) fallen, ein Ausstellungs- und Bewertungsverbot gem. § 10 der TierSchHuVO. Darunter fallen auch Zuchtzulassungsbewertungen.

Es ist zum einen verboten, solche Tiere auszustellen, zum anderen ist es verboten, mit ihnen an sportlichen Wettkämpfen oder ähnlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Durch das Verbot entfällt der Zuchtanreiz, Tiere, die Qualzuchtmerkmale aufweisen oder, obwohl sie entgegen dem Qualzuchtverbot gezüchtet oder verändert worden sind, zufällig nicht aufweisen, ausstellen beziehungsweise mit diesen an Wettkämpfen oder ähnlichen Veranstaltungen teilzunehmen und dabei gegebenenfalls auch Preise gewinnen zu können. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass diese Tiere von einem Publikum wahrgenommen werden und dadurch die Nachfrage nach ihnen steigt. Von dem Ausstellungsverbot erfasst werden auch Tiere, die nach Deutschland verbracht oder eingeführt worden sind und Qualzuchtmerkmale aufweisen. Bei den Tieren besteht aufgrund der sichtbaren Veränderung der Verdacht einer Qualzucht gem. §11b TierSchG, deshalb ist die Vorstellung des Tieres zur Ausstellung und Bewertung aller Art untersagt.

b) mögliche Anordnungen

Verbot der Zucht mit Risikogenen (Anlageträger)

Unfruchtbarmachung

ggf. Überweisung zu weiterer fachtierärztlicher klinischer Untersuchung.

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Hunde mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Dabei ist zu beachten, dass das Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; vgl. Binder § 5 ÖTSchG zu Z 1).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation. Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger § 11b Rn. 12).

 – Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen (Lorz/Metzger § 11b Rn. 4). Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. 

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14)

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  • mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 a) TierSchG) oder
  •  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Die Zucht von Tieren mit einem oder mehreren der oben beschriebenen Defekte erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch:

a) Beim Fehlen des Fells ist von einer von § 11b Abs. 1 TierSchG umfassten Umgestaltung des Körperorgans Haut auszugehen. Es fehlen den mit diesem Defekt behafteten Hunden also nicht lediglich die Haare, sondern der Körperteil "Haut" wurde durch Mutation umgestaltet, und dadurch die Abwesenheit von Haaren auf einem überwiegenden Teil des Körpers bewirkt.

Das bewusste Züchten von haarlosen Tieren und Hunden, deren Fell die arteigenen Funktionen nicht mehr erfüllen kann, erfüllt in diesem Fall den Tatbestand der Qualzucht durch:

  • das vollständige oder teilweise Fehlen von Organen (Vibrissen als Sinnesorgan)
  • die teilweise oder vollständige Funktionslosigkeit von Organen (Vibrissen als Sinnesorgan)
  • Umgestaltung des Körperorgans Haut (Fehlen oder Funktionseinschränkung des Haarkleides)
  • die Erwartung von Schäden, Leiden und ggf. Schmerzen
  • Einschränkung des arteigenen Ausdrucksverhaltens

Erläuterung:

Bei Hunden mit fehlendem, partiell fehlendem oder nachteilig verändertem Haarkleid muss davon ausgegangen werden, dass sowohl homozygote (rezessive SGK3-Variante) als auch heterozygote (ko-dominante FOXI3-Variante) Nachkommen mit dem Rassestandard entsprechenden Defekten behaftet sind. Diese mit Leiden und Schäden assoziierten Defekte erfordern ein Zuchtverbot.

Ein Tier mit einer genetisch bedingten Abweichung des Haarkleides, seiner Tasthaare oder genetisch bedingten völligen Haarlosigkeit, ist bereits gemäß dem sogenannten Qualzuchtgutachten (2000) als Qualzucht klassifiziert worden. Das Gutachten bezog sich damals auf die Gesetzgebung vor der Einfügung des Artikels 20a in das Grundgesetz (Tierschutz als Staatsziel). Das Gutachten ist inzwischen in vielen Punkten bearbeitungs- und ergänzungsbedürftig, wird nur der Vollständigkeit halber erwähnt und im Weiteren durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzt. 

Gem. §11b TierSchG in der aktuellen Fassung wird nicht nur empfohlen, sondern  ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […], soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse […] erwarten lassen, dass als Folge der Zucht […]bei der Nachzucht, den […] Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder […] bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten […]

Haut und Haarkleid des Tieres sind Körperorgane, die für artgerechtes Verhalten und physiologische Vorgänge von erheblicher Bedeutung sind und wichtige Funktionen erfüllen. Das Haarkleid dient dem Schutz der Körperhaut und der Thermoregulierung. Weitere Funktionen des Haarkleids im Ausdrucksverhalten sind unmöglich oder behindert. Die erhebliche Einschränkung des arteigenen Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens ist als Verhaltensstörung und damit als Leiden zu werten.

Zudem können mit der Ektodermalen Dysplasie diverse Schäden im Bereich der Zahnbildung verbunden sein, die einen weiteren Schaden an wichtigen Körperteilen darstellen, der zudem- je nach Ausprägungsgrad, physiologische Funktionen z.B. bei der Nahrungsaufnahme dem Ergreifen von Gegenständen und bei Hündinnen das Auspacken der Welpen aus den Eihäuten  behindert.

Bei diesen Merkmalen handelt es sich um solche, welche erblich bedingt und für den Züchter direkt erkennbar oder diagnostisch zugänglich sind und die bei der Nachzucht zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen.

Es ist seit Langem wissenschaftlicher Konsens, dass züchterisch bedingte Haarlosigkeit einen Schaden im Sinne des Tierschutzgesetzes darstellt und aufgrund der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen bei den betroffenen Tieren zu Leiden und Schmerzen führt. So wurde bereits im Jahr 1995 in einer Resolution der Unterzeichnerstaaten zu Art. 5 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren, das Einstellen der Zucht mit haarlosen Hunden und Katzen gefordert (Council of Europe, 1995).

Die Voraussetzungen des § 11b Abs. 1 Nr. 1 liegen somit  vor. Die Zucht von Nackthunden verstößt gegen das in § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG geregelte Verbot von Qualzüchtungen.

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die zuständige Verwaltungsbehörde hat daher diese Züchtungen bei Vorliegen der Voraussetzungen auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG zu un­tersagen.

Die zuständige Behörde kann darüber hinaus gemäß § 11b Abs.2 das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Verbot nach § 11b Abs.1 TierSchG das Unfruchtbarmachen als im Regelfall gebotene Maßnahme ansieht.

Die Bestimmungen nach § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf, sowie das Amputationsverbot nach § 6 TierSchG stehen der Anordnung nicht entgegen. Der Eingriff ist grundsätzlich durch § 6 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 des Tierschutzgesetzes gedeckt. Neben der Kastration steht auch die Sterilisation als schonendes Verfahren zur Verfügung, das nicht in den Hormonhaushalt des Tieres eingreift. Es ist zwingend zu verhindern, dass den Defektgenträgern Gelegenheit gegeben wird, sich mit anderen Hunden zu paaren und als heterozygote Träger das für Haarlosigkeit verantwortliche Gen als Merkmal zumindest an einen Teil der Nachkommen weitergeben. Das gilt auch für die Verpaarung mit Hunden anderer Rassen.

Auch muss vor Abgabe der Hunde an Dritte verhindert werden, dass diese die Hunde wiederum für die Zucht von Nackthunden einsetzen können. Der Zuchtausschluss für Defektgenträger ist das das einzige Mittel, die Weiterverbreitung des Defektgens auszuschließen und das in § 11b Abs. 1 TierSchG formulierte Ziel, Qualzucht umfassend zu verhindern, durchzusetzen. Um dieses nachhaltig durchzusetzen ist die Unfruchtbarmachung der Tiere i.d.R. unumgänglich.

Eine Verpaarung der Hunde lediglich zu verhindern, stellt keine gleich effektive Möglichkeit dar, weil dies nicht mit der gleichen, gebotenen Sicherheit– insbesondere nach Abgabe der Hunde an Dritte – gewährleistet werden kann. Auch eine Wertminderung ist unerheblich, weil wirtschaftliche Interessen eines Tierhalters bzw. einer Tierhalterin keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz rechtfertigen (analog VGH München, Beschl. v. 17.1.2013, 9 ZB 10.1458, Rn. 10).

Ein im Vergleich zur Unfruchtbarmachung der Hunde milderes, ebenso effektives Mittel erschließt sich nicht,  müsste ggf. im Einzelfall geprüft werden. 

Wichtig: Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Beschreibung und Beurteilung in diesem Merkblatt auf ein sichtbares Symptom eines Gen Defektes bezieht. Bei einem Teil dieser Tiere können zusätzliche sichtbare und/ oder verdeckte Defekte und Dispositionen vorhanden oder bekannt sein, die durch zusätzliche Untersuchungen und/oder Genteste detektiert werden können (z.B.  Canine Multiple Systemdegeneration (CMSD) – Chinese Crested Typ oder Canine ectodermal dysplasia die bei der behaarten Variante zu langem seidigen Fell führt, welches die für Hunde arteigene Funktion nur unzureichend erfüllt, Defekte und Prädispositionen an den Augen, (wie primärer Katarakt,  primäre Linsenluxation, Keratokonjunktivitis sicca und Progressive rod–cone Degeneration (PRCD).

b) Züchtung mit Anlageträgern von Risiko-Genen

Durch Gentests ist es in Bezug auf viele Merkmale möglich, die Geburt betroffener Welpen sicher zu vermeiden. Somit ist es bei getesteten Eltern möglich zu erreichen, dass keine Nachkommen mit dem jeweiligen Merkmal geboren werden. Berücksichtigt werden müssen also die jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die genetische Grundlage der einzelnen Qualzucht-relevanten Merkmale, die dann auch zum züchterischen Wissen gehören müssen. Sofern diese Erkenntnisse berücksichtigt werden, ist bei den Nachkommen nicht mit einer Erkrankung, wohl aber mit einer Weitergabe der Anlage zu rechnen. Gibt es für ein Merkmal keinen Gentest, oder ist der Erbgang nicht einfach dominant-rezessiv, so ist ein Zuchtverbot für Anlageträger in jedem Fall gerechtfertigt.

Es gibt Tiere, die Träger von Genen sind, die - wenn eine Verpaarung mit einem Zuchtpartner stattfindet, der ebenfalls dieses Gen trägt - zu schweren Erkrankungen oder Schäden bei den Nachkommen führen. Züchter mit solchen Anlageträgern berufen sich idR darauf, dass sie den Anlageträger nur mit Zuchtpartnern verpaaren würden, die „frei“ von dem Risko-Gen sind, und dass ihre Züchtung deswegen nicht gegen Abs. 1 Nr. 1 verstoße und ihnen damit auch nicht durch Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1 verboten werden könne. – Dabei wird aber außer Betracht gelassen, dass die Anlageträger, wenn ihr Zuchtpartner „frei“ ist, zwar nicht unmittelbar Nachkommen mit der schweren Erkrankung oder Schädigung erzeugen, wohl aber Nachkommen, an die sie das Risiko-Gen weitergeben und die damit ebenfalls Anlageträger sind. Übersehen wird auch, dass die meisten Züchtungen von Tieren mit Defekten privat, also außerhalb der größeren Zuchtverbände, und unkontrolliert vorgenommen werden, so dass nie ausgeschlossen werden kann, dass Nachkommen, die Anlageträger eines solchen Risiko-Gens sind, gewollt oder ungewollt mit Zuchtpartnern, die ebenfalls dieses Gen in sich tragen, verpaart werden und dass als Folge davon dann  Nachkommen entstehen, die mit erheblichen Schmerzen oder Leiden behaftet sind. Eine solche später stattfindende Erzeugung ist dann zwar nicht die unmittelbare Folge der Zucht mit dem „freien“ Zuchtpartner, gleichwohl aber kausal auf diese zurückzuführen. Auch handelt es sich um eine Folge, die im Zeitpunkt der Verpaarung des Anlageträgers mit dem „freien“ Zuchtpartner durchaus im Rahmen des ernsthaft Möglichen und damit Vorhersehbaren gelegen hat (weil das Risiko-Gen vererbt wird und weil die meisten Defektzüchtungen privat, unprofessionell und unkontrolliert vorgenommen werden, so dass die Verpaarung eines solchen Anlageträgers mit einem Träger desselben Risiko-Gens immer im Bereich des Möglichen liegt). – IS des elastischen Gefahrbegriffs - danach sind an die Wahrscheinlichkeit und an die zeitliche Nähe eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer die Verletzung oder Schädigung im Falle ihres Eintritts wiegt - muss die Möglichkeit, dass ein mit dem Risiko-Gen behafteter Nachkomme später gewollt oder ungewollt mit einem Zuchtpartner, der ebenfalls dieses Risiko-Gen trägt, verpaart wird, dann ausreichen, um in der ersten (und vielleicht schon länger zurückliegenden) Züchtung mit dem „freien“ Zuchtpartner“ einen Verstoß gegen Abs. 1 Nr. 1 zu sehen, wenn es sich bei der Krankheit oder Schädigung des späteren Nachkommen um einen mit erheblichen und länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden verbundenen und damit gem. § 17 Nr. 2b  als besonders schwerwiegend einzustufenden Zustand handelt.       

Solche Erkenntnisse bestehen nach verbreiteter Erfahrung für viele Rassen, Merkmale und/oder Anlageträger zu denen auch die Chinese Crested Dogs gehören, wenn sie Anlageträger für z.B. die Canine Multiple Systemdegeneration (CMSD) – Chinese Crested Typ (CMSD)  oder weitere Defekte/ Erkrankungen wie z.B. Canine ectodermal dysplasia die bei der behaarten Variante zu langem seidigen Fell führt, welches die für Hunde arteigene Funktion nur unzureichend erfüllt, Defekte und Prädispositionen an den Augen, (wie primärer Katarakt,  primäre Linsenluxation, Keratokonjunktivitis sicca und Progressive rod–cone Degeneration (PRCD)) sind.

Erfahrene Züchter der ersten Zuchtgeneration sollten zum einen in aller Regel (in der Lage sein zu) erkennen, ob k o n k r e t e Gefahr oder Wahrscheinlichkeit besteht, dass die von ihnen gezüchteten Hunde nach einer oder mehreren Zuchtgenerationen durch Hobbyzüchter u. dgl.  unter Verstoß gegen § 11b Abs. 1 TierSchG unprofessionell verpaart werden könnten. Zum anderen müssen sie immer in Rechnung stellen, dass eine unprofessionelle Verpaarung nach dem Verkauf eines Tieres durch neue Besitzer nicht mit Gewissheit auszuschließen ist.

Wenn konkrete Gefahr besteht, ist die Weitergabe eines Trägertieres in fortpflanzungsfähigem Zustand unzulässig. Das gilt auch, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht. Dies folgt aus §11b TierSchG. Zwar mag mit Verweis auf den Wortlaut angezweifelt werden, dass die Norm bereits greift, wenn nur Erkenntnisse auf eine Züchtungsfolge hindeuten. Doch sprechen die Verfassungsnorm des Art. 20a GG und die in §§1 ff. TierSchG kodifizierten Grundsätze dafür, den Anwendungsbereich weiter zu fassen. Denn das enge Verständnis widerspricht der Leidensvermeidung, ob schon diese Gefahr real existiert, wenn ein durch Züchter zur Zeit eingesetzter Hund (durch Gen- Test bewiesener) Anlageträger einer (für das ggf. betroffene Tier) mit schwerem Leiden einhergehenden Erkrankung ist.

Insofern ist für jede Rasse und jeden im Genpool der Rasse vorhandenen Defekt ein Zuchtverbot mit Anlageträgern zum Grad der gesundheitlichen Beeinträchtigung der ggf. betroffenen Nachkommen ins Verhältnis zu setzen.

Für die Rasse Chinese Crested (Chinesischer Schopfhund) wäre nach Anwendung der obigen Ausführungen ein Zuchtverbot auch bei behaarten Varianten erforderlich für Anlageträger der Canine Multiple Systemdegeneration (CMSD) – Chinese Crested Typ (CMSD).

Fazit: Die Tiere selbst sind als Defekt/Qualzucht zu klassifizieren. Züchterische Erkenntnisse lassen nicht nur erwarten, dass bei den Nachkommen mit Schmerzen, Leiden und Schäden verursachenden Einschränkungen gerechnet werden muss – es muss auch als erwiesen angesehen werden, dass ein mehr oder weniger großer Anteil der Nachkommen mit nicht unerheblichen Einschränkungen des Wohlbefindens und/oder Verhaltensrepertoires  leben werden müssen.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Zuchtverbände, die standardmäßig die Zucht mit unbehaarten Exemplaren einfordern, ebenso wie Ausstellungsveranstalter und Zuchtrichter die eine Zuchtgenehmigung erteilen, oder eine Bewertung eines vom Zuchtverbot nach §11b betroffenen Tieres vornehmen, eine justiziable Mitverantwortung für den Verstoß gegen §11b TierSchG tragen. Denn entsprechend der Begründung des §11 TierSchHUV, soll mit dem Ausstellungsverbot der Zuchtanreiz entfallen und gleichzeitig verhindert werden, dass die Nachfrage nach diesen Hunden befördert wird (vgl. Gutachten im Auftrag der Tierärztekammer Berlin: Pönalisierung von Schaustellern, Ausstellungsveranstaltern, Zuchtrichtern, Verbandsvorständen und Tierärzten im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Qualzüchtungsverbot https://qualzucht-datenbank.eu/wp-content/uploads/2021/10/Ergaenzungsgutachten-Cirsovius-30.09.2021.pdf)

Weiter  ist bekannt, dass nicht nur bereits die Zucht von haarlosen Tieren verboten ist, sondern insbesondere, dass das Haarlosigkeitsgen in homozygoter Form bei bestimmten Rassen letale Wirkung hat. Dabei ist es bisher nicht nachgewiesen, zu welchem Gestationszeitpunkt ein Teil der Welpen intrauterin abstirbt. 

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

11. Relevante Rechtsprechung

Nackthunde

OVG Weimar, Beschluss vom 3. März 2021, 3 EO 509/19, 3 ZO 553/19
Achtung: Haupt- Verfahren ist noch nicht abgeschlossen

VG Weimar, Beschluss vom 27. Juni 2019, 1E 810/19 We

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12. Juli 2022, 11 ME 134/22

Mehrere weitere Gerichtsverfahren sind anhängig.

Nacktkatzen (hier nur einschlägig bezüglich der Vibrissen) 

VG Berlin, Urteil vom 23. September 2015, 24 K 202.14

 VG Hamburg, Beschluss vom 4. April 2018, 11 E 1067/18

Verstoß gegen Ausstellungsverbot Österreich

Landesverwaltungsgericht Wien, 16.10.2017

Geschäftszahl VGW-001/010/11614/2017

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Lvwg/LVWGT_WI_20171016_VGW_001_010_11614_2017
_00/LVWGT_WI_20171016_VGW_001_010_11614_2017_00.html

12.
a) Anordnungsbeispiel vorhanden?

b) Weitere Informationen vorhanden?

a) Ja:

Bundesland Thüringen, April 2019.

Bundesland Thüringen, April 2022 (Ausstellungsverbot).

Anordnungsbeispiele werden ausschließlich auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt.

b) Ja, können auf Anfrage von Veterinärämtern an diese versendet werden.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Hunden angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und /oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

Council of Europe (1995): Multilateral consultation of parties to the European Convention for the Protection of Animals (ETS 125), Resolution on the Breeding of Pet Animals. Appendix S. 10. https://rm.coe.int/168008c37b

Drögemüller, C. (2008.): A Mutation in Hairless Dogs Implicates FOXI3 in Ectodermal Development. Science 321 (5895), 1462. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18787161/

Federation Cynologique Internationale (FCI) (2021): Rassenomenklatur der FCI: Peruanischer Nackthund https://www.fci.be/de/nomenclature/PERUANISCHER-NACKTHUND-310.html

Feddersen-Petersen DU (2004): Hundepsychologie: Sozialverhalten und Wesen. Emotionen und Individualität; 4. Aufl. Franckh Kosmos Verlag; ISBN: 978-3440097809

Feddersen-Petersen DU (2008): Ausdrucksverhalten beim Hund: Mimik und Körpersprache, Kommunikation und Verständigung; 1. Aufl. Franckh Kosmos Verlag; ISBN: 978-3440098639

Flores, J.; Hinostroza, E.; Grandez, R.; Canales, F.; Serrano-Martínez, E. (2014). Evaluación de la calidad lagrimal en el Perro Sin Pelo del Perú mediante la técnica de tiempo de Ruptura de la Película Lagrimal Precorneal. Salud y Tecnología Veterinaria, 2, 46–51. https://revistas.upch.edu.pe/index.php/STV/article/view/113/94

Gough, A., Thomas, A., O'Neill, D.  (20180117). Breed Predispositions to Disease in Dogs and Cats,  3rd Edition. (hier speziell zu Chinese Crested Dog S.58)

Hirt / Maisack / Moritz / Felde Tierschutzgesetz: TierSchG Achtung: 4. Neuauflage, 2023. Vahlen. ISBN 978-3-8006-6238-8

Mecklenburg, L.; Congenital alopecia. In: Mecklenburg, L.; Linek, M.; Tobin, D. J. (2009): Hair loss disorders in domestic animals. Ames Iowa: Wiley-Blackwell. S. 93-113 https://www.wiley.com/en-gb/Hair+Loss+Disorders+in+Domestic+Animals-p-9780813810829

O'Brien DP, Johnson GS, Schnabel RD, Khan S, Coates JR, Johnson GC, Taylor JF. Genetic mapping of canine multiple system degeneration and ectodermal dysplasia loci. J Hered. 2005;96(7):727-34. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15958791/

OMIA - Online Mendelian Inheritance in Animals 2024. OMIA:000323-9615 : Ectodermal dysplasia in Canis lupus familiaris (dog). https://omia.org/OMIA000323/9615/

Osorio, J.; Galvez, C. (2015). El Viringo, El Perro Sin Pelo Del Peru Patrimonio nacional peruano. Revista de Architectura, 2(1), 57–82. https://www.unife.edu.pe/facultad/arquitectura/1/57.pdf

Urbano Torrico, L. A. (2014). Contribución al estudio de la dentición del perro sin pelo del Perú. Ciencia y Desarrollo, 19. https://revistas.uap.edu.pe/ojs/index.php/CYD/article/view/1185/1161

Wiener, D., J. (2013): Clinical and histological characterization of hair coat and glandular tissue of Chinese crested dogs. Vet Dermatol 24, 274–e62  https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23413772/