Merkblatt Hund Augen Ektropium

Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Augen
QUEN-Merkblatt Nr. 32
Bearbeitungsstand: 13.09.2024
Tierart: Hund
Defekt an Körperteil: Augen Ektropium
QUEN-Merkblatt Nr. 32
Bearbeitungsstand vom 13.09.2024

1. Beschreibung des Merkmals

Unter einem Ektropium versteht man einen teilweise oder vollständig nach außen gerollten Unterlidrand, sodass die Ausführungsgänge der Meibom-Drüsen und die Conjunctiva palpebrae direkt sichtbar sind. Diese Fehlstellung betrifft in der Regel den unteren Palpebralrand und tritt in Verbindung mit einem Makroblepharon bei bestimmten, meist großen Hunderassen mit übermäßiger Faltenbildung durch überschüssige Haut im Kopfbereich oder schweren überlangen Ohren auf.
Gemeinsam ist den verschiedenen Formen des Ektropium, dass der untere Lidrand den Kontakt zur Hornhautoberfläche verliert.

2.1 Bild 1

Ektropium mit Sichtbarmachung der Öffnungen der Meibom-Drüsen
und Freilegung des ventralen Teils der Hornhaut und der Sklera.
Foto: Gilles Chaudieu

2.1 Bild 2

Ektropium mit Expositionskeratopathie
Foto: Gilles Chaudieu

Weitere Fotos finden Sie hier (Bild anklicken):

3. Betroffene Hunderassen

Das Ektropium wird unter anderen bei untenstehenden Hunderassen beschrieben:

Basset artessien normand, Basset Hound, Beagle, de Beauce, Berger de Brie, Berger des Pyrénées, Berner Sennenhund, Bernhardiner, Bluthund, Bouvier bernois, Boxer, Deutsch Kurzhaar, Braque d’Auvergne, Braque français, Englische Bulldogge, Bullmastiff, Bullterrier, Cane corso, Pyrenäenberghund, Chien de Saint Hubert, Chien de Terre Neuve, Clumber Spaniel, Amerikanischer und Englischer Cocker Spaniel, Deutsche Dogge, Bordeauxdogge, Bretonischer Spaniel, Gordon Setter, Grand Bleu de Gascogne, Rauhhaariger Griffon d’arrêt, Griffon nivernais, Griffon vendéen, Leonberger, Mastiff, Neapolitanischer Mastiff, Neufundländer, Pointer, Retriever, Rottweiler, Bernhardiner, Saluki, Sarplaninac, Setter, Shar Pei ……

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Äußerst selten, meist verletzungsbedingt.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Das Ektropium zeigt sich durch eine abnormale Freilegung der palpebralen Bindehaut und der Nickhaut, die Sichtbarmachung der Öffnungen der Meibom-Drüsen entlang des Palpebralrands und die Freilegung des ventralen Teils der Hornhaut und der Sklera. 

Wenn die Lidkante ihre Berührung zur Augenoberfläche verliert, können folgende Symptome auftreten:

  • Lagophthalmus: Das Auge lässt sich nicht mehr vollständig schließen.
  • Tränenträufeln: Die Tränen laufen nicht normal ab, da der Abflussweg, die Puncta lacrimalia, nicht mehr dem Augenbulbus aufliegen.
  • Austrocknung: Die Lidfehlstellung vermindert den Schutz des Auges vor Austrocknung.
  • Konjunktivitis: Die Bindehaut des Auges neigt bei Austrocknung dazu, sich zu entzünden.
  • Hornhautschäden: Bei Austrocknung nimmt die Hornhaut Schaden und es können Abschürfungen und Geschwüre in diesem Bereich auftreten.
  • Trichiasis: Tritt das Entropium im Oberlid auf, kommt es häufig zu einer fehlerhaften Ausrichtung der Wimpernhaare mit dauerhaftem Reiben auf dem Augapfel (Trichiasis).

Beim Ektropium handelt es sich um eine der am häufigsten auftretenden Erkrankungen der Augenlider bei großen Rassen. Vor allem Rassen, bei denen ein “treuherziger Blick” durch hängende Augenlider erwünscht und im Rassestandard beschrieben ist, sind betroffen. Die Prävalenz wird, je nach Rasse und Studie, mit 17% bis 63% beschrieben.

Makroblepharon:
Bei vielen betroffenen Rassen (insbesondere Riesenrassen) ist das Ektropium des Unterlids mit einem Makroblepharon verbunden. Die Länge des Lidrands übersteigt dabei die bei Hunden als normal geltende Länge (30-35 mm) in der Regel um 5-15 mm. Beide Lidfehlstellungen treten oft gemeinsam auf und werden dementsprechend als eine Erkrankung (EKT/ MAKROB) behandelt. Sie begünstigen zu schnelles Verdunsten und damit den Funktionsverlust des Tränenfilms, Exposition der Bindehäute gegenüber UV-Licht, Staub, und Zugluft. Das Ektropium kann im mittleren Abschnitt des Unterlids lokalisiert sein und so zu einem Entropium des nasalen und temporalen Teils der Lidkante führen. Diese Konformation wird als “Karoauge” (Diamond Eye) bezeichnet und umfasst ein laterales und/oder mediales Entropium in Kombination mit einem zentralen Ektropium der oberen und/oder unteren Augenlider.  Außerdem kann der Visus hierdurch beeinträchtigt werden (überschüssige Haut bedeckt die Augenoberfläche).

Konjunktivitiden:
Die durch den mangelnden Lidschluss induzierte chronische Konjunktivitis kann zu schleimiger Augensekretion führen und mehr oder weniger ausgeprägte Augenschmerzen sowie Rötung und Schwellung der Bindehäute, der Nickhaut und Epiphora (Auslaufen von Tränenflüssigkeit) verursachen. Formen: Conjunctivitis catarrhalis chronica (übermäßige Schleimproduktion) oder C. mucopurulenta (bei sekundärer bakterieller Besiedlung der vorgeschädigten Schleimhäute mit Eiterbildung). 

Keratitis:
Bei unvollständigem Lidschluss kann die Cornea Umwelteinflüssen gegenüber ungeschützt sein, austrocknen, erodieren, ulzerieren oder durch Traumata und Infektionen geschädigt werden. Die entzündlichen Folgen der Expositionskeratopathie (Vaskularisierung und Pigmentierung der Hornhautoberfläche, Ulzerationen oder sogar Hornhautperforation) können bei schweren Formen das Sehvermögen beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall droht der Visusverlust. 

Enophthalmus:
Es kann zu schmerzbedingtem Enophthalmus kommen wobei sich der  Bulbus noch weiter vom Lidrand entfernt und die Symptomatik verschlimmert.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau und dient lediglich der Orientierung. Daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen. Dies vor allen Dingen deshalb, weil sich im deutschen Tierschutzgesetz keine justiziable Grundlage zur Einteilung in Belastungskategorien findet. Im Gegensatz zur Schweiz, werden in den gesetzlichen Normen in Deutschland Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht quantifiziert oder ihrer Qualität nach beurteilt, sondern diese berücksichtigt, wenn sie das Tier mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen.

Die Belastungen, welche durch Defekt-Zuchtmerkmale entstehen können, werden in 4 Kategorien eingeteilt (Art. 3 TSchZV, Schweiz). Für die Zuordnung eines Tieres zu einer Belastungskategorie ist das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom entscheidend (Art. 4 TSchZV, Schweiz).

Kategorie 0 (keine Belastung): Mit diesen Tieren darf gezüchtet werden.

Kategorie 1 (leichte Belastung): Eine leichte Belastung liegt vor, wenn eine belastende Ausprägung von Merkmalen und Symptomen bei Heim- und Nutztieren durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmäßige medizinische Pflegemaßnahmen kompensiert werden kann.

Kategorie 2 (mittlere Belastung): Mit diesen Tieren darf ggf. nur gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt.

Kategorie 3 (starke Belastung): Mit diesen Tieren darf nicht gezüchtet werden.

Physisch:
Je nach Schweregrad reichen die verursachten Beschwerden von einer einfachen Funktionsbeeinträchtigung, die sich in einem abnormalen Tränenfluss und einer abnormalen Blinzelfrequenz äußert, über einen Blepharospasmus, der je nach ausgelöstem Schmerz unterschiedlich stark ausgeprägt ist, und in den schwersten Fällen zu einer Hornhautvaskularisierung/-pigmentierung, Hornhautgeschwüren, die bei schwerer Hornhauttrockenheit bis hin zur Perforation führen können. Neben dem Ektropium kann überschüssige Stirnhaut zu einem Absinken des Oberlids führen, wodurch die Hornhaut verdeckt und die Sicht eingeschränkt wird.
Das Ektropium erfordert – je nach Ausprägungsgrad – tägliche, lebenslange medizinische Pflege (zum Beispiel: Tränenersatzflüssigkeit, lokale Antibiotika- und Glucocorticoid-Therapie, im Erwachsenenalter: chirurgische Lidkorrektur- und Folgeeingriffe) . 

Psychisch:
Die Dauerexposition des Bulbus und der Bindehäute gegenüber Umwelteinflüssen ist mit hochgradigen Schmerzen verbunden.  Ebenso führen Trockenheit, Ulzerationen und Perforationen der Hornhaut zu Schmerzen.  Pflegerische Maßnahmen müssen mehrmals täglich erfolgen, was dem Tier psychischen Stress bereitet und (ebenso wie die Expositionsvermeidung des Bulbus gegenüber Umwelteinflüssen) das natürliche bzw. artgerechte Verhalten (Rennen, , Spiel- und Komfortverhalten: Wälzen, Schnüffeln, Sonnenlichtexposition) stark einschränkt. Eingeschränktes Sehvermögen und Blindheit beeinträchtigen die Tiere ebenfalls stark in der Ausübung ihres arteigenen Verhaltens.

Belastungskategorie: Je nach Schweregrad 2-3. Das gilt auch für Tiere, bei denen das Ektropium chirurgisch korrigiert wurde.

7. Vererbung, Genetik, ggf. bekannte Genteste, ggf. Generic Illness Severity Index

Das Ektropium ist eine der Augenkrankheiten, die auf die Selektion durch Züchter (und die Nachfrage der Öffentlichkeit) auf  Merkmale wie hervorstehende Augen und übermäßig viele Gesichtsfalten zurückzuführen ist. Das Merkmal unterliegt fast ausnahmslos einem polygenen Erbgang.
Ein Gentest ist nicht verfügbar.

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

Hinweise auf ein vorliegendes Ektropium geben Anamnese, klinische Anzeichen sowie die Rasse. Der untere Palpebralranddefekt tritt bereits in den ersten Lebensmonaten auf, die endgültige Diagnose kann jedoch erst nach Abschluss des Wachstums gestellt werden. Die Ausprägung des Merkmals ist durch äußerliche Betrachtung und durch eine ophthalmologische Untersuchung zu diagnostizieren. Hunde mit Ektropium haben in der Regel einen schleimigen Ausfluss im Auge, eine Rötung der freiliegenden Bindehaut und eine verminderte Tränenproduktion. Letzteres kann beim Tierarzt durch einen Schirmer-Tränen-Test festgestellt werden. 

Durch die Verwendung eines Transilluminators kann dieser auch die Eversion des Palpebralrands bestätigen. Die Breite des Lidspalts kann einfach mit einem millimetergenauen Schirmer-Streifen gemessen werden, der entlang des gespannten freien unteren Lidrands angelegt wird, oder zuverlässiger mit einem Messschieber von Kanthus zu Kanthus (Lidspalt unter Spannung, normaler Durchschnittswert: 30-35 mm).

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen. Berücksichtigt werden sollte ggf. auch der  individuelle Inzuchtkoeffizient eines Tieres.

a) notwendig erscheinende Anordnungen

Ausstellungsverbot: gem. §10 TierSchHuV, wenn das Unterlid deutlich sichtbar dem Bulbus nicht anliegt.

Zuchtverbot: unmittelbar auf § 11b gestützte Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1

b) mögliche Anordnungen

Wenn mildere Mittel nicht zum Erfolg führen: Unfruchtbarmachung und ggf. Überweisung zu weiterer fachtierärztlicher klinischer Untersuchung.

Je nach Schweregrad sollte eine chirurgische Intervention empfohlen werden und wird dies trotz tierärztlicher Indikation durch den Halter vorsätzlich nicht beauftragt, kann dies eine Tierquälerei durch Unterlassen nach § 17 Ziffer 2b TierSchG darstellen.

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Hunde mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

a) Deutschland

Aus rechtlicher Sicht sind Hunde mit den oben beschriebenen Defekten/ Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  •  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Die Zucht von Tieren mit einem oder mehreren der oben beschriebenen Defekte erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch:

  • Augenerkrankungen und damit verbundene Schmerzen und Schäden

Die Austrocknung der Kornea infolge eines Ektropiums führt zu erheblichen Schmerzen und Leiden und kann zu chronischen Beeinträchtigungen wie der Entstehung von Hornhautulzerationen führen.Insbesondere die erhöhte Reizung der Bindehäute bei fehlendem Kontakt des Lidrandes mit der Hornhautoberfläche, durch eingetragenen Staub und Fremdkörper führen zu erheblicher Beeinträchtigung des Wohlbefindens betroffener Tiere. Weitere Schäden können z.B. durch Trübung, Vaskularisierung oder Perforation der Hornhaut entstehen, die bis zur Erblindung des Tieres führen können und folglich mit hochgradigen Einschränkungen der Lebensqualität, des Wohlbefindens einhergehen sowie das Verhalten massiv beeinflussen. Damit stellt das Ektropium eindeutig ein Qualzuchtmerkmal dar. 

Dabei ist zu beachten, dass das Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; vgl. Binder § 5 ÖTSchG zu Z 1).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation (TVT-Merkblatt Nr. 141 S. 12). Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger § 11b Rn. 12).

 – Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen (Lorz/Metzger § 11b Rn. 4). Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. 

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14).

 

b) Österreich

 Hunde mit den o. beschriebenen Defekten/ Syndromen sind in Österreich gemäß §5 TSchG als Qualzucht einzuordnen. 

Gegen § 5 des österreichischen TschG verstößt insbesondere, wer „ Züchtungen vornimmt, bei denen vorhersehbar ist, dass sie für das Tier oder dessen Nachkommen mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst verbunden sind (Qualzüchtungen), sodass in deren Folge im Zusammenhang mit genetischen Anomalien insbesondere eines oder mehrere der folgenden klinischen Symptome bei den Nachkommen nicht nur vorübergehend mit wesentlichen Auswirkungen auf ihre Gesundheit auftreten oder physiologische Lebensläufe wesentlich beeinträchtigen oder eine erhöhte Verletzungsgefahr bedingen“. 

Die Verwendung des Wortes “insbesondere” bedeutet, dass es sich bei den in §5 aufgeführten Merkmale und Symptomen, um eine nicht vollständige Liste von Beispielen handelt und durchaus auch andere als die in der Liste aufgeführten zuchtbedingte Defekte, als Qualzuchtmerkmale gelten können.

Ektropium: Die Zucht mit Hunden, die unter pathologischen Veränderungen der Augen leiden oder dafür genetisch prädisponiert sind, ist nicht nur als Qualzucht zu qualifizieren, wenn eines der folgenden in § 5 aufgezählten Symptome verwirklicht ist: Entzündungen der Lidbindehaut und/oder der Hornhaut, Blindheit, sondern z.B. auch ein Ektropium, weil damit in der Regel Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind.

c) Schweiz 

Hunde mit Defekten, die der Belastungskategorie 3 zuzuordnen sind, unterliegen gemäß Art. 9 der Verordnung des BLV „Tierschutz beim Züchten (TSchZV)“ einem Zuchtverbot. 

Mit Tieren der Belastungskategorie 2 darf ggf. nur gezüchtet werden, wenn ein  durch Auswahl und Untersuchung der Elterntiere belastungsfähiges und dokumentiertes Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt.

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden. 

11. Relevante Rechtsprechung

1.Deutschland: nicht bekannt.

2.Österreich: nicht bekannt.

3.Schweiz: nicht bekannt.

12. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Ja. Anordnung zum Ausstellungsverbot.

Anordnungsbeispiele werden ausschließlich auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Hunden angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und /oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.

Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind , beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

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