Merkblatt Huhn Legeleistung

Tierart: Huhn
Merkmal: Legeleistung
QUEN-Merkblatt Nr. 28
Bearbeitungsstand: 19.11.2024
Tierart: Huhn
Merkmal: Legeleistung
QUEN-Merkblatt Nr. 28
Bearbeitungsstand vom 19.11.2024

1. Beschreibung des Merkmals

Die Legeleistung ist das Hauptziel der Zucht von kommerziellen Legelinien für die Eierproduktion. Sie wurde in den letzten Jahrzehnten züchterisch immer weiter gesteigert, stieg bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auf durchschnittlich über 300 Eier je Henne und bleibt konstant auf hohem Niveau. Hennen der heute überwiegend genutzten Hybridrassen legen fast täglich ein Ei und sind daher einer hohen körperlichen Belastung ausgesetzt. Neben der Eizahl fließen weitere Parameter in die Berechnung der Legeleistung ein. In Hühnerleistungsprüfungen wird zwischen der Eizahl von sogenannten Anfangshennen (AH) und der von Durschnittshennen (DH) unterschieden, um die Mortalität zu berücksichtigen. Zusammen mit den ökonomischen Merkmalen Eigewicht und Eigröße errechnet sich die Eimasse je AH oder DH. Gezielte Selektion auf die genannten Parameter und ein reduziertes Alter bei Legebeginn, unter anderem durch veränderte Lichtprogramme, sorgten dafür, dass die erwünschte Leistungssteigerung heute eine hohe Inzidenz an “Produktionskrankheiten” mit sich bringt, die nachfolgend beschrieben werden. Da die biologische Grenze mit einem Ei pro Tag bei Legehybriden inzwischen erreicht ist, wird gegenwärtig daran gearbeitet durch genetische Selektion die Legeperiode  von ca. 55 Wochen (ca. 300 Eier) auf ca. 100 Wochen (ca. 500 Eier) zu verlängern.

2.1 Bild 1

Leghorn.
Foto: iStock.com

2.1 Bild 2

Legehennen in Kleingruppenhaltung.
Foto: Otwarte Klatki – Konrad Łoziński, CC BY 2.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90587096

Weitere Fotos finden Sie hier (Bild anklicken):

3. Betroffene Hühnerrassen

Überwiegend kommerzielle Legelinien, i. d. R. Weißlegehybriden oder Braun- oder  weniger Zuchtunternehmen, v. a. Lohmann und Hendrix bzw. Hendrix Genetics (z. B. Lohmann Brown, Lohmann Selected Leghorn, ISA-Brown, DEKALB, NOVOgen).

4. Vorkommen bei anderen Tierarten

Wachteln.

5. Mit dem Merkmal möglicherweise verbundene Probleme/Syndrome

Osteoporose
Als Osteoporose wird der progressive Verlust von strukturellem Knochengewebe bezeichnet, wodurch der Knochen anfälliger für Traumata wird. Dies tritt bei Legehennen durch den Kalziumverlust  vor allem in der Legeperiode auf. Dadurch werden die Knochen fragiler und das Risiko für Frakturen steigt.

Die häufigsten betroffenen Knochen sind Ischium, Sternum und Furcula (Gabelbein). Oft sind auch Pubis, Ulna, Coracoid (Rabenbein) und Femur betroffen.

Einfluss auf die Knochen(qualität) haben neben der Genetik auch die Haltungsumwelt und Ernährung. Generell ist die Knochenqualität eng mit der Eibildung und Eischalenqualität verbunden. Besonders Hennen in Käfigsystemen sind aufgrund des extremen Bewegungsmangels von Osteoporose betroffen. Die hohe Legeleistung in Verbindung mit Bewegungsmangel (typisch in der Käfighaltung) führt zu einer verstärkten Entmineralisierung der Knochen. Aus diesem Grund wird auch von “Käfiglähme” oder “Cage layer fatigue” gesprochen. Der physiologische Effekt der Kalziummobilisierung in den Knochen für den Aufbau der Eierschale tritt bei kommerziellen und traditionellen Linien auf. Aufgrund des frühen Legebeginns und der anhaltend hohen Legeleistung sind die Auswirkungen bei den kommerziellen Legelinien allerdings deutlich stärker ausgeprägt, sodass die Selektion auf eine hohe Legeleistung negative Folgen für die Knochenqualität (Knochenstärke) hat. In alternativen Haltungssystemen entwickeln die Tiere ebenfalls Osteoporose und es besteht ein höheres Risiko für Brustbeinbrüche durch Kollisionen mit der Stalleinrichtung (z.B. erhöhte Volierenebenen). Diese können auch beim Einfangen der Tiere vor dem Transport sowie während des Betäubungsprozesses im Rahmen der Schlachtung (Aufhängen in Systemen mit stromführendem Wasserbad) entstehen.

Brustbeinschäden
Brustbeinschäden werden mitunter auch dem Komplex der Osteoporose zugeordnet, werden aufgrund ihrer Relevanz hier aber separat behandelt.

Bereits 2010 stufte das Farm Animal Welfare Committee (FAWC) Brustbeinschäden bei Legehennen als ernst zu nehmendes Problem ein.

Die Schädigungen des Brustbeins können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Frakturen und Deformationen. Brustbeinfrakturen werden als Abscherfrakturen, fragmentiertes oder gebogenes Brustbein definiert. Für Brustbeindeformationen wurden von Casey-Trott et al. (2015) folgende Definition vorschlagen: Knochen mit einer abweichenden Struktur/Form, die nicht frakturbedingt ist und Bereich(e) aufweisen, die von einer theoretisch perfekten zweidimensionalen geraden Ebene in der transversalen oder sagittalen Ebene abweicht.
Das Brustbein gehört partiell zum medullären Knochengewebe, das als Kalziumquelle für die Eischalenbildung dient. Schreitet die Kalziummobilisierung voran, wird zunehmend mehr medulläres Knochengewebe gebildet und ist bei hochleistenden Legehennen dauerhaft vorhanden. Medullärer Knochen wird durch den Abbau stützender Knochenstrukturen (kortikaler Knochen) aufgebaut, sodass der Knochen instabiler wird. Das Osteoporoserisiko und somit auch das Frakturrisiko steigt. Wenn mehr Kalzium für die Eierproduktion benötigt wird, als aus dem medullären Knochengewebe mobilisiert werden kann, wird auch anderes Knochengewebe, das für die Knochenstruktur wichtig ist, entmineralisiert. Der kortikale Knochen geht dadurch unwiderruflich verloren, da er nur bis zur sexuellen Reife (Legebeginn) gebildet wird. Kommerzielle Legelinien sind aufgrund der hohen Legeleistung stärker von Brustbeinfrakturen betroffen und mit zunehmender Legeleistung steigt die Prävalenz für Brustbeinschäden. So wurde mit jeder Steigerung der Legeleistung um 1 % eine steigende Prävalenz um 1,3 % beobachtet. Ein Vergleich kommerzieller Legehybriden mit traditionellen Hühnerrassen zeigte keinen Unterschied hinsichtlich der Eischalenqualität was auf eine Aufrechterhaltung der Eischalenstärke auf Kosten der Knochengesundheit bei der genetischen Selektion auf Legeleistung von Hybridlinien hinweist. Physiologischerweise ossifiziert der kaudale Bereich des Brustbeins zuletzt, sodass dieser häufig frakturiert, da der Knochen durch den gezielt frühen Legebeginn der hohen und anhaltenden Legeleistung noch ungenügend standhalten kann.
Die Frakturen weisen einen deutlich verzögerten Heilungsprozess sowie eine dorso-ventrale Frakturlinie auf. Nicht selten haben die Tiere mehrere Frakturen. Brustbeinfrakturen treten in allen Haltungssystemen sowie konventionellen und ökologischen Betrieben auf. Hähne von kommerziellen Legelinien sind nicht betroffen, sodass die Eiproduktion ein entscheidender Faktor zu sein scheint. Das wird auch dadurch gestützt, dass chemisch kastrierte Hennen deutlich weniger nicht-traumatische Frakturen als intakte Hennen zeigen.
Die (durchschnittlichen) Prävalenzen variieren stark und spiegeln den multifaktoriellen Charakter wider. Brustbeinfrakturen werden mit Prävalenzen von 5% betroffenen Tieren zu Legebeginn bis zu 97% am Ende des Legezyklus beobachtet, während Deformationen bei bis zu 80% der Hennen auftreten können.

Erkrankungen der Legeorgane
Viele Legehennen sind von einer Salpingitis (Eileiterentzündung) betroffen, die in 80 – 90 % der Fälle mit einer Peritonitis (Bauchfellentzündung) auftritt, die auch als “egg peritonitis” bezeichnet wird. Die Ursachen sind multifaktoriell mit einem Zusammenspiel von fakultativ pathogenen Erregern und mechanischen Verletzungen, wobei die Erkrankung häufig mit einer hohen Legeleistung in Verbindung gebracht wird. Der wichtigste Aspekt der Pathogenese scheint eine aufsteigende Infektion über die Kloake in den Legedarm zu sein. Beteiligt sind häufig E. Coli und Gallibacterium anatis. Vor allem Bakterien der Spezies G. anatis infizieren die Reproduktionsorgane, können aber auch systemische Erkrankungen mit Beteiligung von Herz, Milz oder Atemwegen verursachen. Erkrankungen der Legeorgane (Salpingitis (Eileiterentzündung) mit/ohne Peritonitis, Oophoritis (Eierstockentzündung)) treten in allen Haltungssystemen und konventionellen sowie ökologischen Betrieben auf und werden z.B. in Dänemark mit 3,5 % Prävalenz angegeben. In Deutschland können entsprechende Daten den Angaben zur Schlachttieruntersuchung des Statistischen Bundesamtes oder der Legeleistungsprüfungen entnommen werden.

Fettlebersyndrom
Das Fettlebersyndrom (“Fatty liver hemorrhagic syndrome – FLHS”) tritt bei Legehennen auf. Dabei werden Lipide übermäßig in der Leber akkumuliert, wodurch Leberrupturen und -blutungen auftreten können. Begünstigt wird es durch eine hohe Nährstoffaufnahme, die durch Bewegungsmangel verstärkt wird. Beeinflussende Faktoren scheinen die Genetik, endokrinologische Faktoren, Haltungsumwelt und toxikologische Faktoren zu sein, wobei hauptsächlich die Ernährung die Entstehung zu beeinflussen scheint. Im Rahmen endokrinologischer Risikofaktoren konnte ein Zusammenhang mit der erhöhten Östrogenaktivität während der Legeperiode beobachtet werden. In allen Haltungssystemen konnte FLHS als eine der häufigsten Ursachen für Mortalitäten beobachtet werden. Die Mortalität wurde 1976 mit unter 5 % angegeben, wobei inzwischen die Prävalenz deutlich höher sein dürfte, da betroffene Tiere oft erst bei der amtlichen Fleischbeschau erfasst werden. Futterrationen mit hohem Energiegehalt, die durch die hohe Legeleistung und dem damit verbundenen steigenden Energie- und Nährstoffbedarf nötig sind, begünstigen die Anreicherung von Lipiden in der Leber.  Die Leberkapsel wird angegriffen, wodurch Blut auch in die Bauchhöhle vordringt. Die Tiere können durch massive Blutungen der Leber sterben.

Federpicken und Kannibalismus
Federpicken und Kannibalismus sind Verhaltensstörungen und gehören nicht zum als normal angesehenen aggressiven Verhalten. Federpicken beschreibt das Picken, Herausziehen und Fressen von Federn anderer Hühner. Zwei Kategorien werden unterschieden: sanftes und starkes Federpicken. Die sanfte Form beinhaltet leichtes Picken vor allem an den Flügelspitzen und wird meist vom bepickten Huhn nicht beachtet. Es kann sich dennoch in einem stereotypen Verhalten manifestieren und somit Einfluss auf das Wohlbefinden des betroffenen Tieres haben. Das starke Federpicken ist durch kraftvolles Picken und Ziehen der Federn gekennzeichnet, die auch häufig gefressen werden. Daraus resultieren federlose Stellen am Rücken, Schwanzbereich und der Kloake. Wenn das Picken anhält, kann es in eine Form des kannibalistischen Pickens übergehen. Statt der Federn bepicken die Hennen anderes Gewebe wie die Haut, wodurch Wunden entstehen. Das kann bis zum Tod des bepickten Tieres führen. Beim kannibalistischen Bepicken kann die Kloake (“Kloakenkannibalismus”) betroffen sein und bis zur Eviszeration (Entfernung) innerer Organe führen oder es sind andere Organe, wie die Zehen betroffen. Obwohl die Ursachen als multifaktoriell betrachtet werden, werden auch genetische Effekte diskutiert. Auch die Legeleistung scheint Einfluss auf das Federpicken und Kannibalismus zu haben. Hörning vermutet ein erhöhtes Risiko für Federpicken durch den “Leistungsstress” und sieht in dem “genetisch gezügelten Appetit” ein Hindernis für eine geeignete Nährstoffversorgung und somit ein erhöhtes Risiko für Federpicken und Kannibalismus. Umfragen auf tierhaltenden Betrieben ergaben, dass sich das Risiko für Kloakenkannibalismus bei Legebeginn vor der 20. Lebenswoche erhöht. Einen Zusammenhang zwischen frühem Legebeginn und ausgeprägteren Gefiederschäden konnte auch Lugmair (2009) beobachten. Hormonelle Änderungen, die mit dem Eierlegen in Verbindung stehen, könnten eine Ursache sein, warum das Auftreten von starkem Federpicken mit dem Legebeginn in Verbindung gebracht werden kann. Es wird auch ein Zusammenhang zwischen der Selektion auf hohe Legeleistung mit einem geringen Körpergewicht und dem Anstieg von Kannibalismus vermutet.

6. Symptomatik und Krankheitswert der oben genannten Defekte: Bedeutung/Auswirkungen des Defektes auf das physische/ psychische Wohlbefinden (Belastung) des Einzeltieres u. Einordnung in Belastungskategorie

Die einzelnen zuchtbedingten Defekte werden je nach Ausprägungsgrad unterschiedlichen Belastungskategorien (BK) zugeordnet. Die Gesamt-Belastungskategorie richtet sich dabei nach dem jeweils schwersten am Einzeltier festgestellten Defekt. Das BK-System als Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Schweiz ist noch im Aufbau und dient lediglich der Orientierung. Daher sind die hier vorgenommenen BK-Werte als vorläufig anzusehen. Dies vor allen Dingen deshalb, weil sich im deutschen Tierschutzgesetz keine justiziable Grundlage zur Einteilung in Belastungskategorien findet. Im Gegensatz zur Schweiz, werden in den gesetzlichen Normen in Deutschland Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht quantifiziert oder ihrer Qualität nach beurteilt, sondern diese berücksichtigt, wenn sie das Tier mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen.

Die Belastungen, welche durch Defekt-Zuchtmerkmale entstehen können, werden in 4 Kategorien eingeteilt (Art. 3 TSchZV, Schweiz). Für die Zuordnung eines Tieres zu einer Belastungskategorie ist das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom entscheidend (Art. 4 TSchZV, Schweiz).

Kategorie 0 (keine Belastung): Mit diesen Tieren darf gezüchtet werden.

Kategorie 1 (leichte Belastung): Eine leichte Belastung liegt vor, wenn eine belastende Ausprägung von Merkmalen und Symptomen bei Heim- und Nutztieren durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmäßige medizinische Pflegemaßnahmen kompensiert werden kann.

Kategorie 2 (mittlere Belastung): Mit diesen Tieren darf ggf. nur gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt.

Kategorie 3 (starke Belastung): Mit diesen Tieren darf nicht gezüchtet werden.

Osteoporose

Physisch:
Osteoporose ist für 20 bis 35 % der Mortalitäten bei White Leghorn Hennen verantwortlich. Ähnlich wie bei Menschen sind Frakturen für die Tiere schmerzhaft. Auch wenn keine offene Fraktur vorliegt, können Schmerzen durch freiliegende Nerven verursacht werden. Neben akuten und chronischen Schmerzen steigt auch das Risiko beim Handling für Frakturen. Ereignisse wie Transporte verstärken die Schmerzen zusätzlich. Die Tiere magern ab und sterben.

Psychisch:
Die Tiere leiden unter akuten und chronischen Schmerzen. Je nach den betroffenen Knochen und dem Ausmaß der Beschädigung können Verhaltensweisen eingeschränkt oder gar nicht ausgelebt werden. Die Mobilität ist eingeschränkt, wodurch sie in ihrem Verhalten zusätzlich eingeschränkt sind.


Brustbeinschäden

Physisch:
Brustbeinfrakturen sind für die Tiere schmerzhaft. Dadurch sind sie weniger mobil und schlafen mehr. Durch die reduzierte Mobilität haben die Tiere entweder keinen Zugang zu Futter und Wasser, was weitere gesundheitliche Folgen hat, oder sie müssen sich unter Schmerzen bewegen.

Die Frage, ob auch Brustbeindeformationen schmerzhaft sind, ist noch nicht ausreichend untersucht. Schreitet der Vorgang der Entmineralisierung voran, erhöht sich das Risiko von Osteoporose und somit auch für schmerzhafte Frakturen. Da das Brustbein an der Ein- und Ausatmung beteiligt ist, kann die Atmung aufgrund von Schmerzen eingeschränkt sein. Die Frakturen verursachen bei den Tieren Stress und führen zu Entzündungsreaktionen.

Psychisch:
Die Schmerzen verursachen Stress bei den Tieren und haben Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Zudem beeinflussen Brustbeinschäden auch arttypisches und eigentlich hoch motiviertes Verhalten, wie Laufen, Aufbaumen und Sandbaden,  das nicht mehr oder reduziert gezeigt wird. Das veränderte Verhalten verdeutlicht das Unwohlsein der Hennen. Die Frakturen sind möglicherweise mit depressionsähnlichen Zuständen verbunden, wie sie von Säugetieren bekannt sind. Die reduzierte Mobilität schränkt den Zugang zu Ressourcen ein, wodurch die betroffenen Tiere an Hunger und Durst leiden können.


Erkrankungen der Legeorgane

Physisch:
Hennen mit Salpingitis zeigen ein aufgetriebenes Abdomen, eine vorgewölbte Kloake, Kotverschmierungen im Kloakenbereich, Federlosigkeit im Legebauchbereich und Legenot. Die Entzündung kann akut oder chronisch auftreten und auch ein subklinischer Verlauf ist möglich. Die Mortalität steigt insgesamt an. Häufig gelangen Erreger wie E. Coli aufgrund der veränderten Ovarien in die Bauchhöhle und verursachen eine Salpingoperitonitis.

Psychisch:
Bei einem klinischen Verlauf beeinträchtigen die jeweiligen Symptome der entzündlichen Vorgänge das Wohlbefinden der Hennen. Sie können aufgrund der Entzündungsschmerzen das Futter verweigern und sind entsprechend geschwächt. Bei einer Legenot ändert sich das Verhalten der Tiere, sie versuchen ständig zu pressen, zeigen Atemnot und sind gestresst.


Fettlebersyndrom

Physisch:
Die Erkrankung kann sporadisch auftreten, vor allem bei schweren Linien, Käfighaltung und während hoher Umgebungstemperaturen. Die Hennen zeigen blasse Kämme und Kehllappen und sind nervös. Häufig zeigen die Tiere aber keine deutlichen Symptome bis sie letztlich sterben.

Psychisch:
Wenn Symptome auftreten, wirkt sich das auf das Wohlbefinden der Hennen aus. Die Nervosität kann sie belasten und Stress verursachen.


Federpicken und Kannibalismus

Physisch:
Das Herausziehen der Federn ist für die betroffenen Hennen schmerzhaft. Federpicken und Kannibalismus erhöhen das Infektionsrisiko und die Mortalitätsrate. Die kahlen Stellen durch die fehlenden Federn können zu Wärmeverlust und Hypothermie führen. 

Psychisch:
Die Hennen leiden unter den Schmerzen, die durch das Picken verursacht werden und können sterben. Ein möglicher Wärmeverlust hat negative Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden. Sie sind für andere Hennen leichter angreifbar und stehen somit unter Stress. Bei den ausführenden Hennen ist das Federpicken ein Zeichen, dass das ausgeprägte Erkundungsverhalten nicht physiologisch ausgelebt werden kann und für reduziertes Wohlbefinden.


Gesamtbelastung:
Eine Einzelbewertung der möglichen Folgeerkrankungen einer genetisch fixierten Überforderung der physiologischen Kompensationsfähigkeit des Organismus ist in diesem Fall wenig aussagekräftig und wurde daher nicht vorgenommen. Vielmehr muss für Tiere mit den zurzeit üblichen genetisch fixierten priorisierten Leistungsmerkmalen, aufgrund der damit regelmäßig verbundenen Folgeerkrankungen oder Dispositionen für diese, eine Gesamtbelastung der Kategorie 3 im Regelfall angenommen werden. Züchterische Erkenntnisse lassen erwarten, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Tiere mit dieser Genetik an mindestens einer der oben genannten Gesundheitsstörung betroffen sein wird.
Sehr gute Haltung und Gesundheitsmonitoring der Tiere kann die Gesamtbelastung auf Kategorie 2 reduzieren, es bleibt jedoch ein zuchtbedingter Schaden des Tieres.

7. Vererbung, Genetik

Die Mechanismen der Vererbung der Legeleistung und genetische Korrelationen für verschiedene Parameter wurden ausführlich untersucht und sind seit langem bekannt. Genomanalysen, die vor allem bei Legehybriden durchgeführt wurden, konnten eine Vielzahl von relevanten Genen und Genorte sammeln, die in Verbindung mit der Legeleistung stehen. Dieses Wissen war in den letzten Jahrzehnten die Voraussetzung für die Zucht auf Höchstleistung und die Entstehung der weltweit genutzten Legehybrid-Linien. Die derzeit hauptsächlich wirtschaftlich genutzten Zuchtlinien gehen auf einige wenige Ausgangsrassen zurück und weisen auf Grund der künstlich erzeugten genetischen Engpässe eine stark eingeschränkte genetische Vielfalt auf.

Die hohe Inzidenz der „Produktionskrankheiten“ ist eine Folge der primären Selektion auf eine Eigenschaft, hier: Legeleistung, ohne Berücksichtigung der dieser Eigenschaft zugrundeliegenden physiologischen Mechanismen. 

Die genetische Korrelation zwischen der Steigerung der Legeleistung und der Häufigkeit von Erkrankungen wurde unzweifelhaft festgestellt.

8. Diagnose – weitergehende Untersuchungen

Osteoporose
Für die Untersuchung auf Skelettgesundheit werden die Tiere häufig euthanasiert und die Bein-, Flügelknochen und das Brustbein analysiert. Histologische, histomorphometrische Untersuchungen sowie eine Osteodensitometrie (Knochendichtemessung) sind möglich. Röntgen, nativ und fluoreszenzgestützt, Blutproben zur Diagnostik verschiedener Marker, wie Kalzium, Phosphat und Parathormon und computertomographische Untersuchungen können auch bei lebenden Tieren durchgeführt werden. 

Brustbeinschäden
Die übliche Methode ist die Palpation des Brustbeins der lebenden Tiere. Die Prävalenz wird bei alleiniger Diagnostik mittels Palpation jedoch unterschätzt, vor allem bei Fällen mit keiner oder wenig Kallusbildung. Außerdem ist die lange Fixierung wacher Tiere zur tiefen Palpation erschwert. Zuverlässiger sind Sektionen, histologische oder radiologische Untersuchungen, wie Röntgen. Um dennoch eine Euthanasie der Tiere für die Sektion zu umgehen, könnten mobiles Röntgen und sonographische Untersuchungen geeignete Mittel sein, um sichere Ergebnisse zu erhalten, ohne die Tiere zu töten.

Erkrankungen der Legeorgane
Zur Untersuchung der Legeorgane wird eine Sektion durchgeführt und bei infektiösen Entzündungen Bakterienkulturen angelegt. Die Eierstöcke sind bei einer Salpingitis vergrößert, dünnwandig und mit Fibrinexsudat gefüllt.

Fettlebersyndrom
Zur Diagnose sind die Bestimmung der Leberenzyme (AST, LDH, GDH) oder die Untersuchung auf Biomarker mittels Gaschromatographie mit Flugzeit-Massenspektrometrie möglich. Die Diagnose bei lebenden Tieren ist schwierig, sodass eine Adspektion der Leber bei der Sektion bessere Hinweise liefert. Die Leber ist vergrößert und das Gewebe brüchig. Unter der Leberkapsel sind multiple Hämorrhagien zu finden. Bei Beteiligung der Nieren sind diese blass und geschwollen. Gelbliches und fast flüssiges Fett befindet sich in der Bauchhöhle. Auch eine Histologie des Lebergewebes kann durchgeführt werden.

Federpicken und Kannibalismus
Die Adspektion des Gefieders (Gefiederbonitur z.B. gemäß Schema von Keppler et al. 2017) und der Haut (Verletzungsbonitur z.B. gemäß Schema der Thüringischen Tierseuchenkasse, 2019) sowie Verhaltensbeobachtungen geben ausreichend Hinweise auf das Vorliegen der Störung.

9. Aus tierschutzfachlicher Sicht notwendige oder mögliche Anordnungen

Entscheidungen über Zucht- oder Ausstellungsverbot sollten im Zusammenhang  mit der Belastungskategorie (BK) getroffen werden. Ausschlaggebend für ein Zuchtverbot kann je nach Ausprägung und Befund sowohl der schwerste, d.h. das Tier am meisten beeinträchtigende Befund, und dessen Einordnung in eine der Belastungskategorien (BK) sein, oder auch die Zusammenhangsbeurteilung, wenn viele einzelne zuchtbedingte Defekte vorliegen.

a) notwendig erscheinende Anordnungen 

Die gegenwärtige Zucht- und Nutzungspraxis von Legehennen (kommerzielle Legehybriden mit hoher Legeleistung) ist ordnungswidrig und durch Verbotsverfügungen zu unterbinden.

b) mögliche Anordnungen

Nutzung robusterer und weniger produktiver Linien, wodurch die hohe Legeleistung reduziert wird und dadurch assoziierte Erkrankungen und pathologische Veränderungen weniger auftreten. Einsatz von Zweinutzungshühnern, bei denen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Legeleistung und Fleischansatz geachtet wird.

Bitte beachten:

Maßnahmen der zuständigen Behörde müssen erkennbar geeignet sein, auch in die Zukunft wirkend Schaden von dem betroffenen Tier und/oder  dessen Nachzucht abzuwenden. Es handelt sich im Hinblick auf Art und Bearbeitungstiefe von Anordnungen und Zuchtverboten immer um Einzelfallentscheidungen im Ermessen der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der vor Ort vorgefundenen Umstände.

10. Allgemeine tierschutzrechtliche Bewertung

Aus tierärztlicher Sicht sind Hühner mit den oben beschriebenen Defekten/Syndromen in Deutschland gemäß §11b TierSchG als Qualzucht einzuordnen.

Dabei ist zu beachten, dass das Zuchtverbot nicht nur dann greift, wenn mit Tieren gezüchtet wird, die selbst qualzuchtrelevante Merkmale aufweisen (Merkmalsträger), sondern auch dann, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass ein zur Zucht verwendetes Tier Merkmale vererben kann, die bei den Nachkommen zu einer der nachteiligen Veränderungen führen können (Anlageträger; insbesondere Tiere, die bereits geschädigte Nachkommen hervorgebracht haben; vgl. Binder § 5 ÖTSchG zu Z 1).

 – Ein wichtiges Indiz für einen erblichen Defekt ist, dass eine Erkrankung oder Verhaltensabweichung bei verwandten Tieren häufiger auftritt als in der Gesamtpopulation (TVT-Merkblatt Nr. 141 S. 12). Gegen einen Schaden spricht nicht, dass sich die Rasse oder Population über längere Zeit als lebensfähig erwiesen hat (vgl. Lorz/Metzger § 11b Rn. 12).

 – Das Verbot gilt unabhängig von der subjektiven Tatseite, also unabhängig davon, ob der Züchter selbst die Möglichkeit der schädigenden Folgen erkannt hat oder hätte erkennen müssen (Lorz/Metzger § 11b Rn. 4). Wegen dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes kann er sich nicht auf fehlende subjektive Kenntnisse oder Erfahrungen berufen, wenn man die jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen von einem sorgfältigen Züchter der jeweiligen Tierart erwarten kann. 

– Vorhersehbar sind erbbedingte Veränderungen bei den Nachkommen auch dann, wenn ungewiss ist, ob sie erst nach einem Generationensprung in späteren Generationen auftreten (vgl. Goetschel in Kluge § 11b Rn. 14)

Begründung:

Gem. §11b TierSchG ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht oder den Nachkommen u.a.

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG) oder
  • mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 a) TierSchG) oder
  •  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 c) TierSchG).

Die Zucht von Legehybriden erfüllt den Tatbestand der Qualzucht durch die -aufgrund der gezielten genetischen Veränderung zur Hochleistungslegehenne- in der Folge auftretenden “Produktionskrankheiten”.

Der Tatbestand des § 11b Abs.1 TierSchG sieht vor, dass für den Züchter züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht eine in § 11 b Abs.1 genannte Folge eintritt. Abzustellen ist dabei gemäß der Gesetzesbegründung „auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, deren Kenntnis auch von einem durchschnittlich sachkundigen Züchter erwartet werden können“.  Züchterische Erkenntnisse liegen vor, wenn aufgrund allgemeiner zugänglicher Quellen (insbes. Stellungnahmen von Zuchtverbänden, Fachzeitschriften, -büchern und tierärztlichen Gutachten sowie dem Qualzuchtgutachten des BMEL) bestimmte Erfahrungen mit der Zucht bestimmter Tierrassen bestehen, die sich wegen ihrer Übereinstimmung zu annähernd gesicherten Erkenntnissen verdichten (Lorz/Metzger § 11b Rn. 11).

Als Schaden ist die durch Selektion veränderte Genetik anzusehen. Die auftretenden Gesundheitsstörungen sind Folgeerkrankungen der genetisch fixierten Überforderung des physiologischen Kompensationsvermögens  des Organismus.

Ergibt sich aus diesen züchterischen Erkenntnissen eine genetisch bedingte körperliche oder organische Veränderung, die zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führt, als ernsthafte, naheliegende Möglichkeit, dann ist der Tatbestand der Qualzucht vollendet, selbst wenn die Folgen später ausbleiben (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz 4. Aufl. 2023, § 11b Rn. 6 und Lorz/Metzger Tierschutzgesetz 7. Aufl. 2019 § 11b Rn. 9).

Nach bis zum Änderungsgesetz 2013 geltenden Gesetzesfassung [„wenn damit gerechnet werden muss“] kam es darauf an, ob es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen überwiegend wahrscheinlich war, dass die Veränderung und die mit ihr einher gehenden Schmerzen, Leiden oder Schäden signifikant häufiger auftraten, als zufällig zu erwarten war (so zur alten Gesetzesfassung BVerwG Urt. v. 17. 12. 2009, NVwZ-RR 2010, 309).

Zur jetzigen, seit 2013 geltenden Gesetzesfassung („soweit … züchterische Erkenntnisse … erwarten lassen“) heißt es in der amtlichen Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17 /10572, S. 31: Durch die Auslegung, die die bisher geltende Gesetzesfassung durch das Bundesverwaltungsgericht erfahren habe, sei „die Vollziehbarkeit des § 11b erschwert“ worden; das Bundesverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Erkenntnisse, über die ein Züchter verfügen müsse, um durch sein Tun gegen das Qualzuchtverbot zu verstoßen, „sehr hoch angesetzt“. Durch die Ersetzung des bisherigen Tatbestandsmerkmals „wenn damit gerechnet werden muss“ durch die neue Formulierung ‚wenn züchterische Erkenntnisse … erwarten lassen‘, solle „der fachlich gebotene Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Auftreten von Qualzuchtmerkmalen so definiert werden, dass das Verbot die intendierte Wirkung, Qualzucht umfassend zu verhindern, auch tatsächlich entfalten kann“. Abzustellen sei sowohl bei der Zucht als auch bei der Veränderung auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, d. h. auf Erkenntnisse, deren Kenntnis von einem durchschnittlich sachkundigen Züchter erwartet werden könne.

Nach dieser Gesetzesbegründung liegt es nahe, dass durch die Gesetzesänderung der von der Rechtsprechung zur alten Gesetzesfassung vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angenommene niedrigere Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. VGH Kassel: Urt. v. 5. 2. 2009, 8 A 1194/06: mit nachteiligen Veränderungen war zu rechnen, „wenn es sich um nicht fernliegende, sondern realistische Möglichkeiten handelte“), wiederhergestellt werden sollte (denn der vom BVerwG später angesetzte Maßstab erschien dem Gesetzgeber „sehr hoch“, hat nach seiner Einschätzung „die Vollziehbarkeit des § 11b erschwert“ und soll deswegen im Interesse des Gesetzesziels, „Qualzucht umfassend zu verhindern“ künftig „so definiert werden, dass das Verbot die intendierte Wirkung … auch tatsächlich entfalten kann“). Erforderlich, aber auch ausreichend, ist demnach, dass aufgrund empirisch gewonnener Erkenntnisse, von denen erwartet werden kann, dass sie einem durchschnittlich sachkundigen Züchter bekannt sind, die ernsthafte, realistische und nicht lediglich fernliegende Möglichkeit besteht, dass es bei den Nachkommen oder einem Teil von ihnen zu einer Umgestaltung von Organen oder Körperteilen und, damit verbunden, zu Schmerzen, Leiden oder Schäden kommt (so im Ergebnis auch Lorz/Metzger, § 11b Rn. 9: „Mit der Gesetzesänderung 2013 beabsichtigte der Gesetzgeber, von diesen „sehr hohen“ Anforderungen an die Züchter usw. abzukommen, BT-Drs. 17/10572, 31“).

Das BVerwG hatte auf der Basis der alten Gesetzesfassung ausgeführt, dass für das Merkmal „wenn damit gerechnet werden muss“ nicht schon die naheliegende Möglichkeit ausreichen könne, sondern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert werden müsse. Wenn daraufhin mit dem Änderungsgesetz von 2013 dieser nach Einschätzung des Gesetzgebers als für eine umfassende Verhinderung von Qualzuchten zu hoch angesehene Wahrscheinlichkeitsmaßstab auf ein mit diesem Gesetzeszweck vereinbares niedrigeres Niveau zurückgeführt werden sollte, kann das nur heißen, dass eine mit konkreten Anhaltspunkten begründbare, realistische und nahe liegende Möglichkeit als ausreichend angesehen werden muss. So auch Kröner/Kröner Amtstierärztlicher Dienst 2016, 75, 77: „Voraussetzung ist nun, dass der Zusammenhang zwischen Zucht und Veränderungen von einem durchschnittlich sachkundigen Züchter erkannt werden kann. Insoweit dürfte bereits die realistische Möglichkeit des Auftretens dieser Veränderungen und damit verbundener Leiden, Schmerzen ausreichen“ (vgl. auch Hackbarth/Weilert, Tierschutzrecht, München 2019, C VIII 3.1: „realistische Möglichkeit“); diese ernsthafte, realistische und nicht lediglich fernliegende Möglichkeit müsse sich aber auf „empirisch gewonnene Erkenntnisse“ stützen können, von denen erwartet werden kann, dass sie einem durchschnittlich sachkundigen Züchter bekannt sind.

Mit Bezug auf die Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere zwingt die richtlinienkonforme Auslegung von § 11b im Licht der EU-Nutztierhaltungsrichtlinie 98/58/EG sogar dazu, die Formulierung „erwarten lassen“ dahin auszulegen, dass dafür eine mit konkreten Anhaltspunkten begründbare, realistische und nahe liegende Möglichkeit ausreicht. In Art. 4 i. V. mit Anhang Nr. 20 S. 1 und 2 der Richtlinie heißt es zur Qualzucht landwirtschaftlicher Nutztiere: „Natürliche oder künstliche Zuchtmethoden, die den Tieren Leiden oder Schäden zufügen oder zufügen können (Hervorh. d. Verf.), dürfen nicht angewendet werden.“ Den Zielen dieser Richtlinie entspricht es also, dass das Qualzuchtverbot immer dann eingreifen muss, wenn es durch die Züchtung im Sinne einer ernsthaften, realistischen und nicht fernliegenden Möglichkeit zu länger anhaltenden und mehr als nur geringfügigen Leiden oder Verletzungen oder zu dauerhaften Schäden kommen kann. In die gleiche Richtung geht auch die Empfehlung des Ständigen Ausschusses des Europäischen Tierhaltungsübereinkommens in Bezug auf Puten, Art. 23 Abs. 1 S. 1: „Zucht- oder Zuchtprogramme, die Elterntieren oder ihren Nachkommen Leiden oder Verletzungen zufügen oder zufügen können (Hervorh. d. Verf.), dürfen nicht durchgeführt werden.“  

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

11. Relevante Rechtsprechung

1.Deutschland: nicht bekannt.
2.Österreich: nicht bekannt.
3.Schweiz: nicht bekannt.

12. Anordnungsbeispiel vorhanden?

Nicht bekannt.

Ausführliche rechtliche Bewertungen und/oder Gutachten können, soweit schon vorhanden, auf Anfrage Veterinärämtern zum dienstlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden.

13. Literaturverzeichnis/ Referenzen/ Links

An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten  und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Legehennen angegeben. Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet.

Hinweis: Die Beschreibung von mit dem Merkmal verbundenen Gesundheitsproblemen, für die bisher  keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, erfolgen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen der Experten und Expertinnen aus der tierärztlichen Praxis, und /oder universitären Einrichtungen, sowie öffentlich frei einsehbaren Datenbanken oder Veröffentlichungen von Tier-Versicherungen und entstammen daher unterschiedlichen Evidenzklassen.
Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.

Quellen:

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