Hunde züchten- Kurzer Rückblick in die Geschichte

Erste Rassehundevereine wurden bereits ab 1880 gegründet. Die erste offizielle Hundeausstellung der Welt fand 1859 in Newcastle -on Tyne statt und etwas später wurde in London der erste Zuchtverein für Rassehunde gegründet.

Das Auftreten von Defekten und Dispositionen für Erkrankungen begleiten die gezielte Zucht von Tieren seit langer Zeit.

War man 1897 noch der Überzeugung, dass das Auftreten von Patella Luxationen (damals als Verrenkung der Kniescheibe beschrieben), ihre Ursache in zu kleinen Körbchen oder Kistchen als Lagerstätte der Junghunde hätte (Prof. Steuert, Verlag Paul Parey, Berlin, S.397), gab es für die Zucht der Nutztiere längst Zuchtregister und wurden diese unter Aufsicht gestellt (Kraft G.1911: Lehrbuch der Tierzuchtlehre, Paul Parey, Berlin).

In dem 1955 weitverbreiteten ‘Zipperlein- Praktischer Illustrierter Haustierarzt‘ war unter “die Körpermerkmale gesunder Hunde“ zu lesen: „Entsprechend der vielen und weit auseinander gehenden Zuchtrichtungen sind derartig abweichende, äußere Körpermerkmale bei unseren Hunden vorhanden, daß es einige Schwierigkeiten bereitet, allgemein gültige Gesundheitsmerkmale herauszustellen. Andererseits bildet aber auch beim Hunde ebenso wie bei allen anderen Haustieren die Gesundheit die Grundlage aller Zuchtbestrebungen.“

Wer beschäftigt sich seit wann mit dem Problem

Der Fokus war zunächst überwiegend auf die Hundezucht gerichtet. Im Jahr 1983 beschrieben de Autoren Prof. Ekkehard Wiesner und Prof. Siegfried Willer im „Lexikon der Genetik der Hundekrankheiten“ bereits die Verbreitung von Erbfehlern in Populationen, äußerten sich zur Bekämpfung genetisch bedingter oder beeinflusster Krankheiten und beschrieben entsprechende Veränderungen bei etwa 180 verschiedenen Hunderassen.

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Haustieren ist ein Vertrag des Europarates zur Förderung des Wohlergehens von Haustieren und zur Gewährleistung von Mindeststandards für deren Behandlung und Schutz. Der Vertrag wurde 1987 unterzeichnet und trat am 1. Mai 1992 in Kraft, nachdem mindestens vier Länder ihn ratifiziert hatten. Die Einhaltung des Vertrags ist offen und nicht auf die Mitgliedsländer des Europarates beschränkt. Bis Juni 2020 wurde er von 24 Staaten ratifiziert.

Sowohl durch das Europäische Übereinkommen, als auch seit 1986 – also seit über 35 Jahren – gilt im deutschen Tierschutzgesetz ein Verbot der Zucht mit defektbelasteten Tieren.

Zu dieser Zeit (1986) erschien das Buch “Kleine Kynologie“ von Professor Wilhelm Wegner bereits in der 3.Auflage und wurde auch noch 1995 wieder aufgelegt. Ein Bestseller unter Tierärzten[1], Tierfreunden und Hundezüchtern. Heute werden vereinzelt letzte Exemplare im Antiquariat für 200-400 Euro angeboten. Prof. Wegner, zu der Zeit Professor für Tierzucht und Haustiergenetik an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, beschrieb bereits damals recht eindrücklich Genetik, Rassen und spezielle Dispositionen von Hunderassen und die Folgen der Missachtung menschlicher Verantwortung für die Gesundheit der Hunde. Generationen von Studierenden hatten in seinen Vorlesungen Gelegenheit Anregungen zu späterem Handeln mitzunehmen.

Typisches noch typischer werden lassen

Die öffentliche Diskussion um die als problematisch angesehene Entwicklung der Hundezucht wird auch durch Bücher, die sich kritisch mit dem Zuchtgeschehen bei Rassehunden auseinandersetzen, befeuert (Christoph Jung 2009: Schwarzbuch Hund). In diesem viel gelesenen Buch beschreibt der Autor nicht nur sehr eindrücklich:

– den Weg des Hundes vom Arbeitstier zum kranken Modehund und das legendär gewordene Schicksal des “Crufts“ Siegers Dany (ein Pekinese, der mit einem unter seinem üppigen Fell verstecktem Kühlpack zur Siegerehrung getragen wurde, damit das stark brachycephale Tier nicht überhitzte),

-die fragwürdige Rolle von Züchtern, Zuchtvereinen, Zuchtrichtern und Dachorganisationen der Hundezuchtvereine,

-sondern auch den Wendepunkt, an dem sich der britische Kennel Club im Oktober 2008 zu einem sensationellen Kurswechsel entschloss.

Dem war eine Dokumentation der BBC im August 2008 vorausgegangen, „Pedigree Dogs exposed“ in welcher Professor James Serpell statuiert:

Ich habe das Gefühl, die Menschen wissen nicht, welches Leid den Hunden angetan wird.“

Hundezüchter sind in verschiedenen Zuchtverbänden organisiert, die sich wiederum in Dachorganisationen zusammenfinden.

Die Fédération Cynologique Internationale (FCI) ist eine internationale, 1911 gegründete Dachorganisation von Hundezuchtverbänden und umfasst aktuell 99 Mitglieds- und Vertragspartnerländer.

Die FCI Aufgaben übersetzt und veröffentlicht Standards für die Hundezucht, verleiht Titel und legt internationale Reglements fest.

Der FCI sind Hunderassen-Zuchtvereine angeschlossen, z.B. in Deutschland der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), in Österreich der Österreichische Kynologenverband (ÖKV) und in der Schweiz die Schweizerische Kynologische Gesellschaft (SKG, oder auch Sociéte Cynologique Suisse, SCS).

Insgesamt sind in der FCI 353 Rassen in 10 Kategorien anerkannt. In den 180 VDH-Mitgliedsvereinen sind 600 000 Züchter engagiert, die hobbymäßig Rassehunde züchten.

Weiter gibt es noch unzählige andere Hundezuchtverbände, die als Pedigree ausstellende Organisation in Erscheinung treten können. Als die wichtigsten beiden Verbände neben der FCI sind hier der bereits 1870 in London gegründete und noch heute bestehende “The Kennel Club“ (KC) und der American Kennel Club in den USA (AKC) zu nennen.

Weitere Hundezuchtverbände sind über langwierige Recherche im Internet zu finden, eine abschließende Liste findet sich allerdings nicht, da die Anzahl unüberschaubar ist. Es ist hierbei zu beachten, dass alle einen Zuchtverband gründen und eigene Rassestandards, Ausstellungsregeln und Zuchtrichterausbildungen anbieten können.

Ein Rasse- oder Zuchtstandard ist die von einem Hundezuchtverein herausgegebene Beschreibung der charakteristischen Merkmale, die eine bestimmte Hunderasse ausmachen und beschreibt in erster Linie das von Menschen vorgegebene „Idealbild“ eines typischen Vertreters der jeweiligen Rasse.

Die im Zuchtstandard aufgeführten Merkmale beziehen sich in den meisten Fällen auf den Phänotyp (die äußere Erscheinung) des Tieres, der sich verhältnismäßig einfach überprüfen (kontrollieren) lässt.

Hunde werden auf Ausstellungen nicht nur nach rein optischen Gesichtspunkten bewertet, sie werden von ihren Haltenden auch in Bewegung gezeigt, wodurch geschulten Richtern Abnormalitäten oder Defekte im Bewegungsablauf (z.B. Patellaluxationen) auffallen könnten.

Im Rassestandard werden Vorgaben zur “gewünschten“ Erscheinungsform von Körper, Schwanz, Kopf, Ohren, Augen, Haut/Fell und Farbe gemacht, wobei nicht selten Formulierungen zu finden sind, die eindeutige oder streitbefangene Defekte einfordern oder zumindest begünstigen. Aussagen wie z.B. :

-„Keine Fellschicht, möglich sind einzelne Haarreste auf dem Kopf, an den Enden der Gliedmaßen, an der Rutenspitze und manchmal sehr spärliche Haare auf dem Rücken.“

-„Die Abwesenheit mancher Schneidezähne, Fangzähne, Prämolare und Molare, sowie gedrehte Zähne werden nicht bestraft, da manche Exemplare keine tiefen Wurzeln haben. Genetisch ist die Haarabwesenheit und die Zahnabwesenheit intim verbunden“,

oder die Rechtfertigung mit Tieren zu züchten bei denen das Aussehen mit sogenannten Letalfaktoren in Zusammenhang zu bringen ist, für deren Zucht also ein ganz besonders gutes Fachwissen zur Genetik (z.B. Merle-Farbe) und zu „verdeckten“ Farbschlägen (z.B. „Mantel“-Färbung bei Deutschen Doggen) erforderlich wäre, zeigen die Notwendigkeit von klaren Definitionen des Begriffs Qual- oder Defektzucht auf.

Letztendlich, so die Überzeugung der Autoren in diesem Bereich, müsste eine vorsätzliche Zucht von derartig defektbelasteten Tieren schon deshalb unterbleiben, weil weder ein solch spezialisiertes Fachwissen bei allen Züchtern sicher vorausgesetzt, noch ungeplante Verpaarungen vollständig ausgeschlossen werden können.