Was ist QUALZUCHT und warum wird dieser Begriff verwendet?
Der Begriff Qualzucht wurde durch das BMEL etabliert, als das „Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen)“ im Jahr 1999 vorgestellt wurde.
Im Kommentar zum Deutschen Tierschutzgesetz schreiben die Autoren dazu (Hirt A, Maisack C, Moritz J. Tierschutzgesetz. Kommentar: Mit TierSchHundeV, TierSchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO : Kommentar. 3. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen; 2016) :
„Durch das Änderungsgesetz vom 4.7.2013 wurde u.a. der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Auftreten von Qualzuchtmerkmalen neu definiert. – Das von einer Sachverständigengruppe im Auftrag des BMEL am 2.6.1999 vorgelegte „Gutachten zur Auslegung von § 11b TierSchG“ (im Folgenden: Qualzuchtgutachten) bildet eine wichtige Entscheidungshilfe und Leitlinie für die Auslegung (vgl. Qualzuchtgutachten, Vorwort). Der in Hessen dazu herausgegebene Erlass enthielt eine Auswahl von 24 verbotenen Zuchtmerkmalen, die vorrangig als vollzugsrelevant angesehen werden, weil sie in besonderem Maße zur Auslösung tatbestandsmäßiger Defekte geeignet sind und sich zudem schon durch einfache Inaugenscheinnahme des Zuchttiers, d.h. ohne apparativen diagnostischen Aufwand feststellen lassen (vgl. Schmitz DtW 2004, 118, 119). Zumindest gegen diese Merkmale sollte angesichts der bundesweiten Geltung von § 11b auch in anderen Bundesländern vorgegangen werden. – Mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot ist § 11b vereinbar. Dass die Feststellung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen ggf. erst nach umfangreichen Untersuchungen und mit Hilfe von Sachverständigengutachten erfolgen kann, steht nicht entgegen. Für ein behördliches Verbot von Zuchtrichtungen bedarf es auch nicht notwendig einer Rechtsverordnung; eine unmittelbar auf § 11b gestützte Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 1 reicht aus (vgl. VGH Kassel Beschl. v. 26.6.2003, 11 TG 1262/03, RdL 2003, 277, 278).“
Im TierSchG Deutschland beschreibt der §11b , im TSCHG Österreich der §8 Abs. 2 was unter dem Begriff zu verstehen ist.
Im Bereich RECHTLICHES finden Sie hier die korrespondierenden rechtlichen Normen im Bereich Tierzucht verschiedener anderer Länder.
Da der Begriff Qualzucht darüber hinaus inzwischen im allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt und für jedermann verständlich ist, verwenden wir diesen im Namen der Website, im fortlaufenden Text aber auch synonym mit dem Begriff „zuchtbedingte Defekte“.
Wie wird bei QUEN das Wort EVIDENZ in diesem Zusammenhang definiert?
In der Philosophie bezeichnet Evidenz das aufgrund von Augenschein oder zwingender Schlussfolgerung unbezweifelbar Erkennbare oder die dadurch erreichte unmittelbare Einsicht. Eine aufgrund von Evidenz gewonnene Gewissheit wird als selbstverständlich empfunden, für die es keiner Beweisführung bedarf.
Für die Anwendung in der Medizin wurden Klassen, Bewertungskriterien und wichtige Kritikpunkte formuliert, die als Entscheidungshilfen dienen können. (https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/evidenzbasierung).
Die bei QUEN zusammengetragenen Informationen entstammen je nach Merkmal unterschiedlichen Evidenzklassen.
Basierend auf den oben erwähnten Bewertungskriterien, müssen wir für den Bereich zuchtbedingter Defekte, in welchem häufig noch nicht genügend wissenschaftliche Studien existieren bzw. praxisrelevante Erkenntnisse nur in nicht öffentlich zugänglichen Dokumenten vorliegen, auch auf die bereits im Gesetzestext erwähnten züchterischen Erkenntnisse zurückgreifen. Im Verlauf der Weiterentwicklung der Informations-Datenbank können und werden immer mehr Erfahrungen, Erkenntnisse, Veröffentlichungen sowie gerichtliche Entscheidungen berücksichtigt werden.
Daher betrachten wir die QUEN Informations-Datenbank als Evidenzbüro, welches die aus zahlreichen Quellen stammenden Erkenntnisse, die tierschutzrechtlich relevant erscheinen, zusammenstellt und vor Veröffentlichung einem internen Qualitätsmanagementsystem unterzieht an dessen Ende die Prüfung der Richtigkeit der Angaben und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen für den Vollzug durch eine Juristin oder einen Juristen steht.
Die letzte Entscheidung darüber, welche Konsequenzen ein Veterinäramt aus den durch QUEN veröffentlichten Merkblättern und Informationen zieht, verbleibt immer bei den jeweils vor Ort zuständigen Amtstierärztinnen und Amtstierärzten, denen per Gesetz eine besondere Beurteilungskompetenz zuerkannt ist.
Das Projekt QUEN
Gegenwärtig sind die zuchtbedingten Prädispositionen und Erkrankungen bei sehr vielen Tierarten und Rassen bekannt, untersucht und in unzähligen Veröffentlichungen nachzulesen. Eine Vielzahl von Arbeitsgruppen beschäftigt sich mit der Frage, warum trotz eindeutiger gesetzlicher Einschränkungen und Verbote der Zucht mit defektbelasteten Tieren, nicht nur sehr geringe Fortschritte in der Umsetzung des §11b TierSchG zu verzeichnen sind, sondern im Gegenteil, die zuchtbedingten Defekte und Einschränkungen, sowie das häufig damit verbundene Leiden der betroffenen Tiere, immer abstruser werden.
Es sollen mit dieser Website strukturiert (nach Rassen, aber auch nach einzelnen bekannten sichtbaren, oder nur durch weiterführende Untersuchungen erkennbaren Defekten) alle notwendigen Informationen zur Literatur, Beschreibungen, Gutachten (z.B. auch zur Auslegung des § 11b TierSchG aus juristischer, ethischer und genetischer Sicht), Bilder, Expert-Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, Gerichtsurteile usw. zur Verfügung gestellt werden. Für Veterinärämter werden Merkblätter zu einzelnen Defekten und jeweils ein Leitfaden zur Anordnung von Auflagen und/oder Untersagungen bestimmter Zuchten angefügt werden. Alle Informationen sind benutzerfreundlich untereinander verlinkt.
Da viele Informationen und Erkenntnisse zum Thema Defekt-/Qualzucht auf zahllose Datenbanken und andere Quellen verteilt vorliegen, schafft die QUEN-Datenbank unter einem Dach einen vereinfachten Zugang zu einer Reihe von Ressourcen und Informationen, die hoffentlich die Arbeit der Veterinärämter erleichtert und damit zur Verringerung des bestehenden Vollzugsdefizits beitragen.
Wir sind: ehrenamtlich engagierte Tierärzte*Innen, Rechtsanwälte*Innen, Biologen*Innen, Informatiker*Innen und Pathologen*Innen, die sich gegen das Leid von Defekt- und Qualzuchten und für das Wohl der Tiere einsetzen. Um der Initiative eine Struktur zu geben, wird eine gGmbH gegründet.
Vorerst soll unsere Website überwiegend den Amtstierärzten*Innen der Veterinärbehörden zur Verfügung gestellt werden. Geplant ist aber, auch die Öffentlichkeit umfassend zu informieren – ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Gesamtkonzeptes.
Im Sinne einer One Health Strategie ist auch ein langfristiges Ziel für uns, die Veterinärmedizin an die Website Health Evidence Network (HEN) der WHO anzuschließen. Wir planen mit QUEN ein erstes Pilotprojekt!
Tierzucht und Tierhandel florieren äußerst ertragreich auf dem Weltmarkt. Wir stellen uns gemeinsam und in internationaler Zusammenarbeit dagegen. QUEN hat große Unterstützung von Expert*innen aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz und weiteren europäischen Nachbarländern.
Folgende Organisationen haben im November 2020 untenstehende Richtlinie für den Umgang und die Bewertung genetisch bedingter Erkrankungen und Defekte veröffentlicht:
The Federation of Veterinarians of Europe; VIER PFOTEN / FOUR PAWS – European Policy Office; European Society of Veterinary Clinical Ethology (ESVCE); National Animal Welfare Inspection Service, The Netherlands; Dr Candace Croney- Purdue University; Uri Baqueiro Espinosa- Queen’s University Belfast; Tori McEvoy- Queen’s University Belfast; Nicole Pfaller- Queen’s University Belfast; Mike Jessop; Dr Elly Hiby; Dr Louisa Tasker; Iwona Merlin
RESPONSIBLE DOG BREEDING GUIDELINES
https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/animals/docs/aw_platform_plat-conc_guide_dog-breeding.pdf
Auf der Homepage der Bundestierärztekammer und der Homepage der Berliner Tierärztekammer können Sie sich über Projekte der Kammern, Fortbildungen, Kampagnen und Stellungnahmen zum Thema Qualzucht informieren.
Freunde und Förderer des Projektes bitten wir auf ihrer jeweils eigenen Website Ihr Engagement für dieses Projekt zum Ausdruck zu bringen.
Die von der Berliner Tierärztekammer zur Klarstellung rechtlicher Fragen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten
finden Sie obenstehend auf unserer Website und auf der Website der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT).
Auf Wunsch des Vorstandes der Berliner Tierärztekammer sind sie jedoch nicht mehr auf ihrer Homepage aufzurufen.